Sippenhaft widerspricht rechtsstaatlichen Grundsätzen

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Die SVP fordert mit einer parlamentarischen Initiative ( 06.483 n Pa.Iv. Fraktion V. Ausweisung ausländischer Eltern bei Straftaten ihrer Kinder), das Ausländergesetz sei so zu ändern, dass Aufenthaltsbewilligungen für Ausländerinnen und Ausländer auch dann widerrufen werden können, wenn deren minderjährige Kinder eine Straftat begehen. Im Falle von besonders schweren Delikten soll auch eine Niederlassungsbewilligung widerrufen werden können.

Die Staatspolitische Kommission (SPK) des Nationalrates beantragt ihrem Rat mit 17 zu 8 Stimmen, der Initiative keine Folge zu geben. Die Initiative geht von der irrigen Annahme aus, dass Eltern für alle Taten ihrer Kinder verantwortlich sind. Diese Annahme widerspricht jeder konkreten Lebenserfahrung. In einem Rechtsstaat darf niemand für eine Tat bestraft werden, für die er nicht selbst verantwortlich ist. Die Einführung einer Sippenhaft widerspricht elementaren rechtsstaatlichen Grundsätzen. Zudem verletzt die Strafandrohung den Grundsatz der Verhältnismässigkeit, wenn z.B. gut integrierte ausländische Eltern ausgewiesen werden sollen, weil ihr Sohn in der Pubertät unbedachte Drohungen gegen seinen Lehrer ausspricht. Das Problem der Jugendkriminalität muss zweifellos ernst genommen werden. Integrationsmassnahmen, insbesondere eine enge Zusammenarbeit zwischen Behörden und ausländischen Eltern, bieten eine bessere Lösung als drakonische Sanktionsandrohungen gegen Eltern, welche die erforderliche Kooperation dieser Eltern gerade behindern würden. Wenn Eltern für Straftaten ihrer Kinder verantwortlich erklärt werden sollten, so würde der Grundsatz der Gleichbehandlung verlangen, dass auch schweizerische Eltern wegen Straftaten ihrer Kinder angemessen bestraft würden.

Die Kommissionsminderheit erwartet demgegenüber einen Rückgang der Jugendkriminalität, wenn Eltern ausländischer Jugendlicher befürchten müssen, wegen der Taten ihrer Kinder ihr Aufenthaltsrecht in der Schweiz zu verlieren.

Mit 15 zu 8 Stimmen lehnt die Kommission eine weitere parlamentarische Initiative der SVP-Fraktion ab, welche verlangt, dass Inhaberinnen und Inhaber eines Doppelbürgerrechts wieder aus dem Schweizer Bürgerrecht entlassen werden können, wenn sie erheblich und wiederholt gegen die öffentliche Sicherheit und die Rechtsordnung verstossen ( 06.486 n Pa.Iv. Fraktion V. Entzug des Schweizer Bürgerrechtes).
Die Initative verletzt das Gleichbehandlungsgebot. Alle schweizerischen Bürgerinnen und Bürger sind gleichwertig, unabhängig davon, ob sie neben dem Schweizer Bürgerrecht noch ein weiteres Bürgerrecht besitzen. Die Einbürgerung setzt voraus, dass die Bewerberin oder der Bewerber die schweizerische Rechtsordnung beachtet und einen guten Leumund geniesst. Die Lösung des durch die Initiative aufgeworfenen Problems liegt darin, dass diese Einbürgerungsvoraussetzungen im Einbürgerungsverfahren geprüft werden, was in der Vergangenheit nicht immer gründlich genug geschehen ist. Die von den Initianten aufgestellte Behauptung, die „vor kurzem eingebürgerten Neuschweizer“ würden überdurchschnittlich häufig Straftaten begehen, ist allerdings unbewiesen und muss daher als unzulässige Diffamierung zurückgewiesen werden.

Eine weitere parlamentarische Initiative der SVP-Fraktion verlangt, die Bundesverfassung so zu ergänzen, dass nur Schweizer Bürger oder Bürgerin werden kann, wer keine staatliche Unterstützung wie Sozialhilfe, Leistungen der Invalidenversicherung oder Ergänzungsleistungen beansprucht ( 07.447 n Pa.Iv. Fraktion V. Keine Einbürgerung, wenn staatliche Unterstützung beansprucht wird). Die Kommission lehnt diese Initiative mit 15 zu 7 Stimmen bei einer Enthaltung ab. Der missbräuchliche Bezug von Sozialleistungen ist heute bereits ein Hindernis für den Erwerb des Schweizer Bürgerrechts. Wenn ein Bewerber oder eine Bewerberin für das Schweizer Bürgerrecht alle Voraussetzungen für die Erteilung des Bürgerrechts erfüllt, aber z.B. aufgrund eines Unfalls Leistungen der Invalidenversicherung erhält, so kann darin kein Hinderungsgrund erblickt werden.

Die SPK stimmte in der Gesamtabstimmung mit 17 zu 2 Stimmen bei 2 Enthaltungen dem Entwurf des Bundesrates zu, welcher ab Mitte 2009 biometrische Pässe und Reisedokumente definitiv einführen will ( 07.039 s Biometrische Pässe und Reisedokumente. Bundesbeschluss).

Seit September 2006 wird im Rahmen eines Pilotprojektes („Pass 06“) bereits das elektronische Gesichtsbild erfasst. Ab Mitte 2009 sollen nun alle neuen Schweizer Pässe sowie die Reiseausweise für anerkannte Flüchtlinge und Staatenlose als zusätzliche biometrische Daten zwei elektronisch gespeicherte Fingerabdrücke enthalten. Wie die übrigen Daten aus dem Pass sollen künftig auch die beiden Fingerabdrücke im zentralen Informationssystem Ausweisschriften (ISA) hinterlegt werden.

Mit 23 zu 2 Stimmen hat die Kommission den Entwurf in dem Sinne ergänzt, dass nach wie vor auch nicht-biometrische Identitätskarten bezogen werden können. Solche Identitätskarten können zwar aufgrund der von der Schweiz eingegangenen internationalen Verpflichtungen nur eingeschränkt verwendet werden; sie dürften aber den Bedürfnissen weiter Bevölkerungskreise genügen. Solche Ausweise sollen wie bisher auch in den Wohnsitzgemeinden bezogen werden können, während biometrische Ausweise nur noch an einer vom Kanton bezeichneten Stelle ausgegeben werden.

Die Höhe der Gebühren für die biometrischen Pässe hat in der Öffentlichkeit und in der Kommission zu Diskussionen Anlass gegeben. Mit 18 zu 4 Stimmen will die Kommission den Bundesrat im Gesetz verpflichten, familienfreundliche Gebühren festzulegen.

Die Kommission tagte am 21./22. Februar 2008 in Bern unter der Leitung von Nationalrat Gerhard Pfister (CVP/ZG).

Quelle: Schweizer Parlament

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