Ja zu einer privaten Transportpolizei mit Augenmass

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Mit der Zusatzbotschaft vom 9. März 2007 hat der Bundesrat die ersten Teile der überarbeiteten Bahnreform 2 ( 05.028 ), welche das Parlament 2005 zurückgewiesen hat, erneut vorgelegt; weitere Teile werden folgen. Mit dem vorliegenden Zusatzbericht sollen unter anderem technische und rechnungsmässige Vorschriften vereinheitlicht werden sowie die Beschaffung und der Unterhalt von Rollmaterial auch für die Privatbahnen mit Bürgschaften des Bundes ermöglicht werden, um so gleiche Wettbewerbsbedingungen wie für die SBB zu schaffen. Die umstrittensten Elemente sind die Schaffung eines Sicherheitsdienstes, der polizeiliche Aufgaben im öffentlichen Verkehr wahrnehmen kann. Der Nationalrat stimmte in der Frühjahrssession 2008 der Vorlage des Bundesrates mit punktuellen Änderungen zu.

Die ständerätliche Verkehrskommission hat an ihren beiden Sitzungen vom Mai und Juni die Detailberatung der umfangreichen Gesetzesvorlage durchgeführt. Ein Grossteil der politisch brisanten Punkte ist im Bundesgesetz über die Sicherheitsorgane der Transportunternehmen im öffentlichen Verkehr (BGST) geregelt. Bereits der Nationalrat hatte den Vorschlag des Bundesrates für einen – möglicherweise privaten – Sicherheitsdienst ergänzt. Die KVF-S hat weitere Präzisierungen vorgenommen und die Rechte und Pflichten des Sicherheitsdienstes und der Transportpolizei klarer geregelt und differenziert. Die Aufgaben dieser Sicherheitsorgane können – im Auftrag der Transportunternehmen – von einer privaten Organisation übernommen werden. Der Nationalrat hat beschlossen, dass eine solche private Organisation mehrheitlich in schweizerischem Besitz sein muss. Die KVF-S hat diese Bestimmung als hinreichende Garantie für einen korrekten Aufgabenvollzug bewertet und hat sich dem Beschluss des Nationalrates mit 6 zu 5 Stimmen angeschlossen und einen Antrag verworfen, der darüber hinaus eine zwingende Mehrheitsbeteiligung der Transportunternehmen festschreiben wollte. Ebenfalls dem Nationalrat angeschlossen hat sich die Kommission mit 9 zu 3 Stimmen in der Frage der Bewaffnung der Transportpolizei. Der Bundesrat soll in eigener Kompetenz auf Verordnungsstufe entscheiden können, unter welchen Voraussetzungen Schusswaffen zur Ausrüstung der Bahnpolizei gehören oder nicht. Anders entschieden als der Erstrat hat die KVF in Bezug auf eine deutliche Kompetenzerweiterung der Transportpolizei, welche bereits beim Verdacht auf Verletzung von Bundesgesetzen Personen hätte durchsuchen und vorläufig festnehmen können. Die rechtlichen Voraussetzungen für Festnahmen durch die Sicherheitsorgane ergeben sich u.a. durch Art. 23 der neuen Strafprozessordnung. Die Kommission lehnte diese Kompetenzerweiterung einstimmig ab, weil damit quasi durch die Hintertür die Bahnpolizei zu einer Vollpolizei ausgebaut würde. Die KVF hält demgegenüber fest, dass auch mit dem neuen Bundesgesetz weiterhin grundsätzlich die Kantonspolizeien für im öffentlichen Verkehr begangene Delikte zuständig seien.
In der Gesamtabstimmung hat die KVF das BGST mit 7 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung angenommen.

Im wesentlich umfangreicheren Bundesgesetz über die Bahnreform 2 (Revision der Erlasse über den öffentlichen Verkehr) werden 24 bestehende Gesetze geändert und zwei neue erlassen. Trotzdem handelt sich in erster Linie um eine technische und damit weitgehend unbestrittene Vorlage. Politische Beachtung gefunden hat die vorgeschlagene Neuregelung der Aufbewahrung von Daten aus der Videoüberwachung; sie soll von heute 24 Stunden auf neu 100 Tage ausgedehnt werden. Die KVF hat sich diesem Vorschlag des Bundesrates und Beschluss des Nationalrates ohne Gegenstimmen angeschlossen. Die Kommission unterstreicht, die datenschutzrechtlich entscheidende Frage sei nicht die Dauer der Aufbewahrung der Daten, sondern die klare und restriktive Regelung zum Zugang zu diesen Daten, was mit der vorliegenden Revision sichergestellt sei.
Einstimmig angenommen hat die Kommission die Festschreibung der Einhaltung branchenüblicher Arbeitsbedingungen, wie sie bereits in verschiedenen anderen Gesetzen im Service public-Bereich üblich ist.
Der Bundesrat hat im neuen Personenbeförderungsgesetz (PBG) dem Bundesamt für Verkehr (BAV) die Möglichkeit eingeräumt, bei den konzessionierten Transportunternehmen (KTU) vertiefte Prüfungen vorzunehmen, die über reine subventionsrechtliche Prüfungen hinausgehen. Die KVF hat diese Möglichkeit grundsätzlich gutgeheissen, indessen die auch vom BAV geplante Zurückhaltung in der Umsetzung bereits auf Gesestzesstufe festgehalten. Ferner hat die KVF einen Antrag zur Lockerung der Vorschriften zur Rückzahlung von Darlehen des Bundes angenommen. Die Sistierung der Verzinsung und der Rückzahlung von Bundesdarlehen ermöglicht den KTU, erwirtschaftete Mittel für dringende Ersatz- und Erneuerungsinvestitionen zu verwenden. Abgelehnt hat die KVF mit 8 zu 1 Stimme einen Passus des Nationalrates, der im PBG auch den touristischen Verkehr unter gewissen Bedingungen als abgeltungsberechtigt bezeichnet hätte. Mit einer solchen Bestimmung würde der Bund zum Besteller von touristisch motivierten Verbindungen.
Eine letzte wichtige Frage, die Möglichkeit der Gewinnausschüttung der KTU, wird die KVF an ihrer nächsten Sitzung am 18. August entscheiden. Die Kommission hat vom BAV weitere Unterlagen zu diesem Thema verlangt.

Am Nachmittag ihres zweiten Sitzungstages hat sich die Kommission von den SBB vor Ort über den Stand des nationalen sehr wichtigen Projektes Durchmesserlinie Zürich orientieren lassen.

Die Kommission hat unter dem Vorsitz von Ständerat Peter Bieri (C; ZG) am 19. und 20. Juni 2008 in Bern und Zürich getagt.

Bern, 20. Juni 2008 Parlamentsdienste

Quelle: Schweizer Parlament

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