Infrastrukturinvestitionen in Strasse und Schiene sind nicht ausgewogen – Schere schliessen

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Die unlängst publizierte Verkehrsstatistik 2008 des Informationsdienstes für den öffent- lichen Verkehr (Litra) scheint auf den ersten Blick Erfreuliches an den Tag zu bringen. Im Jahr 2007 herrschte bei den Infrastrukturinvestitionen von Schiene und Strasse nahezu Gleichstand: In die Schieneninfrastruktur flossen fast 3,75 Milliarden Franken, in jene der Strasse knapp 4,2 Milliarden Franken. Die Litra spricht denn auch von einem ausgewogenen Investitionsverhältnis in Schiene und Strasse von 1,0 zu 1,1. Bei näherem Hinsehen ist diese Ausgewogenheit allerdings nur vordergründig, das heisst, bloss bei absoluter Betrachtungsweise gegeben. Werden nämlich die auf den Verkehrsträgern Schiene und Strasse geleisteten Personen- und Tonnenkilometer in Relation zu den Infrastrukturinvestitionen gesetzt, präsentiert sich folgendes Bild:

Während die Investitionen in die Strasseninfrastruktur pro hundert Leistungskilomete seit 1970 in etwa konstant blieben, sind jene für die Schieneninfrastruktur ab 1980 förmlich explodiert. Zu diesem rasanten Anstieg tragen zu einem guten Teil auch die Investitionen in die Eisenbahngrossprojekte wie z.B. Bahn 2000, ZEB, HGV ode insbesondere die Neuen Eisenbahn-Alpentransversalen (Neat) bei. Im Jahr 2007 hat der Verkehrsträger Strasse zwar gegen 80 Prozent der Verkehrsleistung im Personen- und Güterverkehr erbracht, bezogen auf hundert Leistungskilomete jedoch nur gut einen Viertel aller Verkehrsinfrastruktur-Investitionen erhalten. Dabei gil es anzumerken, dass sich die Investitionen in die Eisenbahngrossprojekte erst be deren Inbetriebnahme auf die Verkehrsleistung der Schiene auswirken werden.

Verkehrsausgaben des Bundes
Eine praktisch identische Abbildung ergibt sich, wenn die Verkehrsausgaben des Bundes unter die Lupe genommen werden:

Der Bund konzentrierte bzw. fokussierte sich in den vergangenen rund 30 Jahren hauptsächlich auf die Förderung des öffentlichen Verkehrs (öV) – insbesondere jenes auf der Schiene – und stellte zu diesem Zweck die entsprechenden Finanzmittel bereit: Während sich die Ausgaben des Bundes für Strassen (Nationalstrassen, Hauptstrassen, Kantonalstrassen) bezogen auf hundert erbrachte Leistungskilometer (Personen und Güter) von 1970 bis 2007 fast nicht veränderten bzw. sogar leicht rück- läufig waren, haben die Ausgaben des Bundes für den öV in der gleichen Periode um rund 2’300 Prozent (!) zugelegt. Konkret gab der Bund im Jahr 2007 pro hundert Leistungskilometer für den öV knapp Fr. 13.60 und für Strassen gut Fr. 2.40 aus.

Irreführende Darstellung
Von einem ausgewogenen Verhältnis der Investitionen in die Schienen- und Strassen- infrastrukturen bzw. von gleich langen Spiessen kann daher keine Rede sein! Eine solche Darstellung der Tatsachen ist irreführend und blendet die vom Verkehrsträger Schiene bzw. Strasse tatsächlich erbrachte Verkehrsleistung und somit deren unter- schiedlich grosse Bedeutung sowohl für die Wirtschaft als auch für die Gesellschaft bewusst aus. Seit 1980 hat die Strasse konstant rund vier Fünftel aller in der Schweiz (inklusive Transit) zurückgelegten Personen- und Tonnenkilometer übernommen und den so genannten Modalsplit damit deutlich dominiert:

Punkto Investitionen in die Schienen- und Strasseninfrastruktur sowie hinsichtlich der Verkehrsausgaben des Bundes muss deshalb von einem krassen Missverhältnis gesprochen werden. Mit anderen Worten: Ein Gleichstand bzw. eine ausgewogene Be- handlung in Bezug auf die Infrastrukturinvestitionen sowie die Bundesausgaben für den öV und die Strasse existiert – gemäss ihrem entsprechenden Beitrag an die Abwicklung des Gesamtverkehrsaufkommens in der Schweiz – seit spätestens 1980 nicht mehr.

Strassenverkehr: Fünfmal höhere Wertschöpfung
Vor dem Hintergrund dieses Missverhältnisses kann die kürzlich lancierte Eidgenössische Volksinitiative „Für den öffentlichen Verkehr“ nur Kopfschütteln auslösen. Statt der Strasse noch mehr Geld entziehen und in den öV stecken zu wollen, wären aufgrund der vom Bundesamt für Strassen (ASTRA) bezeichneten Nationalstrassenprojekte im Umfang von weit mehr als 40 Milliarden Franken in Zukunft primär Investitionen in die Strasseninfrastruktur angezeigt. Dies insbesondere deshalb, weil darauf hingewirkt werden muss, dass sich die hiervor dargestellte Schere betreffend die Infrastruktur- investitionen in Schiene und Strasse wieder schliesst.

Gestützt auf die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Transportkosten und zum volkswirtschaftlichen Nutzen des Verkehrs, die der Bund publiziert hat, ist die Investitionspraxis in die Schienen- und Strasseninfrastrukturen auch grundsätzlich zu hinterfragen bzw. zu überdenken. Dabei müsste der Nachweis des vielfältigen Nutzens des Verkehrs – insbesondere jenes des privaten Strassenverkehrs – künftig weg- weisend für den bedarfsgerechten Ausbau der Infrastrukturen sein.

Die Wertschöpfung pro investierten Franken entspricht beim Strassenverkehr dem Faktor elf, beim Schienenverkehr lediglich dem Faktor zwei. Mit anderen Worten: Aus dem Strassenverkehr erhält die Schweizer Volkswirtschaft fünfmal mehr zurück als aus dem Schienenverkehr. Da stellt sich unweigerlich die Frage: Warum wird bei den Investitions- entscheidungen und der Finanzmittelzuteilung dem unterschiedlichen Wertschöpfungs- potenzial der Verkehrsträger Schiene und Strasse nicht stärker Rechnung getragen?

Quelle: strasseschweiz

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