Strategieausblick der Sarasin Gruppe: Schwellenmärkte tragen globale Konjunkturerholung – Notenbanken dürften an expansiver Politik festhalten

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In ihrem aktuellen Strategieausblick kommt Sarasin zu dem Schluss, dass das Wachstum in den Schwellenländern, vor allem in China und Indien, von vitaler Bedeutung ist, solange in den Industrieländern die Bilanzen repariert werden. Wie Burkhard Varnholt, Chief Investment Officer, und Guy Monson, Vorsitzender des Investment Policy Committee, feststellen, verlagert sich die Sorge der Anleger, nachdem jüngst einige positive Konjunkturdaten gemeldet wurden, nunmehr auf die Langzeitfolgen der bislang beispiellosen Wirtschaftsförderprogramme. Angesichts des langsameren globalen Wirtschaftswachstums und der starken Abhängigkeit von der Nachfrage in den Schwellenländern werden die Zentralbanken nach Einschätzung von Sarasin bei einer Abkehr von ihrer – als quantitative Lockerung bezeichneten – derzeitigen extrem expansiven Politik äusserst vorsichtig vorgehen.

Mitte Juni 2009 wurden einige Daten veröffentlicht, die für ein Bullenmarktszenario sprechen: Die Weltbank sagte für China einen Wachstumsanstieg im laufenden Jahr um 7,2% voraus. Der deutsche ZEW-Index für die Wirtschaftserwartungen erreichte im Juni 2009 den höchsten Stand seit Mitte 2006. Der weithin beachtete Philadelphia-Geschäftsklimaindex stieg auf das höchste Niveau seit September 2008. All dies verspricht im Sommer 2009 eine Erholung in den USA und Grossbritannien sowie einen bestandsbasierten Anstieg der Industrieproduktion in den übrigen G7-Ländern.

Guy Monson, Vorsitzender des Investment Policy Committee der Sarasin Gruppe
« Die Fragilität der wirtschaftlichen Erholung erfüllt die Anleger mit Nervosität. Zum einen haben die Aktienkurse zuletzt einen sprunghaften Anstieg erlebt und zum anderen zeigen sich die Anleger zu Recht beunruhigt über die Kosten der Massnahmen gegen die globale Finanzkrise. Allerdings gibt es auch Positives zu vermelden, denn in den USA und Grossbritannien scheint eine Erholung bevorzustehen. »

Burkhard Varnholt, Chief Investment Officer der Sarasin Gruppe
« Wir pflegen zu sagen, dass es die Aufgabe der Notenbank ist, die Bowle wegzuräumen, wenn die Party richtig in Fahrt kommt («Take away the punch bowl just as the party gets going»). Heute muss die Devise unseres Erachtens aber lauten, weiterhin Bowle auszuschenken, damit die Party weitergeht. Diese Erhöhung der Geldmenge, um der sinkenden Industrieproduktion entgegenzuwirken, wird Gewinne bei bestimmten Anlageklassen und Märkten zur Folge haben.»

Binnennachfrage unterstützt das chinesische Wachstum
Die Weltbank führt das Wachstum in China grösstenteils auf massive fiskalpolitische Anreize und eine expansive Geldpolitik zurück (6% des erwarteten BIP-Wachstums von 7,2%). Allerdings leistet auch die chinesische Nachfrage einen zunehmenden Beitrag. Während der chinesische Export seit Jahresbeginn bis Mai 2009 um 26,4% gesunken ist, sind der Einzelhandelsumsatz um 15,2%, die Häuserverkäufe um 26,7% und die Investitionen um 32,9% gestiegen. Die aggressiven Wachstumsmassnahmen in China hatten positive Auswirkungen auf die Rohstoffpreise und -umsätze und kamen daher Brasilien und Russland zugute. Mit einem Anstieg des privaten Konsums im 1. Quartal 2009 um 2,3% im Vergleich zum Vorjahr präsentiert sich Indien ebenfalls widerstandsfähig. In den genannten Volkswirtschaften ist eine gewisse Belebung der Wirtschaftstätigkeit zu beobachten. Mit Blick in die Zukunft erwartet Sarasin jedoch nicht, dass die Schwellenmärkte die aussergewöhnliche Wachstumsdynamik, die sie vor der Krise gezeigt haben, wieder aufnehmen können. Dies insbesondere deshalb, weil die Wirtschaftsförderprogramme 2010 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht so umfangreich ausfallen können wie 2009. Die globale Wirtschaftstätigkeit wird sich abschwächen und die Rallies bei einigen schwächeren zyklischen Unternehmen sowie beim Ölpreis könnten sich als zu optimistisch erweisen.

Es gilt, die Langzeitfolgen einzudämmen
Die Eindämmung der Langzeitfolgen der globalen Finanzkrise wird ihren Tribut fordern. Nach Einschätzung des IWF müssen die westlichen Volkswirtschaften extrem hohe Haushaltsüberschüsse erzielen, um schon nur eine Stabilisierung des Verhältnisses von Schulden zu BIP herbeizuführen. In Anbetracht des neuerlichen Anstiegs 10- jähriger US-Treasury-Renditen in Richtung 4% hält die Debatte um den US-Dollar an. Angesichts des Drucks auf die europäischen Banken, die bis zum Jahresende zusätzliche Verluste von EUR 283 Mia. verzeichnen könnten, sah sich die EZB bei ihrer Refinanzierungsauktion mit einjähriger Laufzeit am 24. Juni 2009 einer Rekordnachfrage gegenüber. Ein weiterer Hinweis auf die Bilanzschwäche des privaten Sektors kam von der Ratingagentur Standard and Poor’s, nach deren Informationen die Ausfälle im Mai 2009 auf ein bisheriges Jahreshoch und beinahe das Niveau von September 2008 gestiegen sind, als Lehman und seine Tochterunternehmen Insolvenz angemeldet hatten. Ähnlicher Druck herrscht am gewerblichen Immobilienmarkt in allen wichtigen Volkswirtschaften, wo nach wie vor strenge Kreditvergabekonditionen herrschen.

Zentralbanken werden die Liquidität unterstützen
Angesichts des langsameren globalen Wachstums und der starken Abhängigkeit von der Binnennachfrage in den Schwellenländern dürften die Zentralbanken bei einer Straffung der Geldpolitik äusserst vorsichtig vorgehen. Neben Christina Romer, Vorsitzende des Wirtschaftsrats der US-Regierung, haben die Bank of England und die Schweizerische Nationalbank auf das Risiko zu schwacher Konjunkturanreize hingewiesen. Für die Anleger entsteht damit die Möglichkeit, dass es zu einem «Goldlöckchen»-ähnlichen Szenario» kommt, nämlich dass sich entweder das globale Wachstum erholt oder die Zentralbanken weiterhin umfangreiche Liquidität bereitstellen.

Auswirkungen auf die Anlagestrategie der Sarasin Gruppe
Sarasin empfiehlt weiterhin, in Qualitätstitel zu investieren. Sodann setzt Sarasin die Erhöhung des Anlageanteils in Schwellenmärkten mit einem Fokus auf China, Indien und die Golf-Staaten fort, lässt jedoch aufgrund der jüngsten Erholungen an den Märkten kurzfristig Vorsicht walten. Sarasin ist zudem der Meinung, dass die aggressive Wechselkurspolitik der Schweizerischen Nationalbank eine gute Kaufgelegenheit für Anleger mit CHF als Heimatwährung schafft. Die Aufsehen erregende Ölpreisrally sollte den Anleger nachdenklich stimmen und bei Anlagen in diesem Bereich ist entsprechende Vorsicht geboten. Auf lange Sicht bleibt Sarasin in Bezug auf ausgewählte Rohstoffe weiterhin optimistisch, darunter die Soft Commodities aus dem Agrarsektor sowie ausgewählte Gold- und Platinpositionen.

Quelle: Bank Sarasin & Cie AG

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