Doppelbesteuerungsabkommen sind dem fakultativen Staatsvertragsreferendum zu unterstellen

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Die Frage, ob eine Vorlage dem fakultativen Referendum unterstellt werden soll oder nicht, soll gemäss klaren rechtlichen Kriterien und nicht nach politischem Ermessen der Behörden beantwortet werden. Folglich müssen Doppelbesteuerungsabkommen dem fakultativen Referendum unterstellt werden.

Die Staatspolitische Kommission (SPK) des Nationalrates beantragt der für die Beratung der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zuständigen Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) mit 25 zu 0 Stimmen, in Zukunft alle DBA dem fakultativen Referendum zu unterstellen. Die SPK behält sich vor, diesen Antrag dem Rat zu stellen, falls ihn die WAK nicht übernimmt. Die SPK widerspricht damit dem Bundesrat, welcher die Absicht bekundet hat, die frühere Praxis weiterzuführen, wonach Staatsverträge nicht dem fakultativen Referendum unterstellt werden, wenn sie im Vergleich zu früher abgeschlossenen Abkommen mit anderen Staaten keine wichtigen zusätzlichen Verpflichtungen für die Schweiz enthalten. Folglich wäre nur das erste der neu ausgehandelten DBA, welche gegenüber den früheren Abkommen eine Pflicht zu weitergehendem Informationsaustausch vorsehen, dem Referendum zu unterstellen.

Gemäss der am 9. Februar 2003 von Volk und Ständen angenommenen Verfassungsänderung müssen aber alle Staatsverträge dem fakultativen Referendum unterstellt werden, wenn sie „wichtige rechtsetzende Bestimmungen“ enthalten. Unter „wichtig“ ist nicht eine politische Wichtigkeit, sondern die rechtliche Wichtigkeit zu verstehen, wie sie in Artikel 164 der Bundesverfassung definiert wird. DBA enthalten in diesem Sinne wichtige rechtsetzende Bestimmungen, die keine Grundlage haben in einem Bundesgesetz und die daher dem fakultativen Referendum zu unterstellen sind. Die Wiederholung ähnlicher wichtiger Bestimmungen in einer grösseren Zahl von Verträgen kann kein Grund für einen Ausschluss des fakultativen Referendums sein. Der Vertragspartner ist immer ein anderer, was zweifellos massgeblicher Inhalt des jeweiligen Vertrages ist. Im Rahmen der innerstaatlichen Rechtsetzung käme auch niemand auf die Idee, ein Gesetz nicht dem fakultativen Referendum zu unterstellen, weil eine ähnliche Regelung für eine andere Personengruppe bereits dem fakultativen Referendum unterstellt worden war.

Gemäss dem schweizerischen Verständnis der Volksrechte soll deren Ausübung von klaren rechtlichen Kriterien und nicht vom fallweisen Ermessen der Behörden abhängig sein. Es wäre ein gefährlicher Präzedenz¬fall, wenn die Frage, ob ein Staatsvertrag dem fakultativen Referendum unterstellt werden soll oder nicht, nach politischen Opportunitäts¬kriterien und nicht nach klaren rechtlichen Kriterien entschieden wird.

Nationalratswahlen und Proporzwahlsystem
Mit 15 zu 10 Stimmen spricht sich die SPK gegen die Einführung des Systems der doppelten Proportionalität (“Doppelter Pukelsheim”) bei Nationalratswahlen aus. Dieses von Nationalrat Zisyadis (G, VD) geforderte und in den Kantonen Zürich, Schaffhausen und Aargau bereits angewendete System sieht vor, dass zunächst alle Sitze des gesamten Wahlgebiets auf die Parteien verteilt werden. Erst anschliessend werden die von einer Partei eroberten Sitze auf die Listen der Wahlkreise verteilt. Nach Ansicht der Kommission ist es jedoch nicht sinnvoll, dieses System auf Bundesebene anzuwenden, da es der föderalistischen Struktur der schweizerischen Parteienlandschaft nicht Rechnung trägt. Die Parteien müssten sich vermehrt national ausrichten. Die Kommission befürchtet auch, dass die grosse Komplexität dieses Systems sich negativ auf die Transparenz der Wahlvorgänge auswirken würde. Es wäre zum Teil kaum nachvollziehbar, warum in einem bestimmten Wahlkreis der Kandidat X mit viel mehr Stimmen als die gewählte Kandidatin Y nicht gewählt wird. Nach Ansicht der Minderheit würde es jedoch erst mit einem solchen System möglich, in kleinen Wahlkreisen ein echtes Proporzverfahren und damit eine Auswahl für die Wählenden zu ermöglichen. Heute lohne es sich für gewisse Parteien gar nicht, in kleinen Kantonen zur Wahl anzutreten, da der einzige Sitz sowieso an die grösste Partei gehe.

Bedingter Rückzug einer Volksinitiative im Fall eines indirekten Gegenvorschlags
Nachdem sich der Ständerat in der Sommersession für die Einführung einer bedingten Rückzugsmöglichkeit von Volksinitiativen ausgesprochen hat, stimmt nun auch die SPK des Nationalrates mit 14 zu 5 Stimmen und einer Enthaltung der entsprechende Gesetzesänderung mit einer kleinen Modifikation gegenüber dem Ständerat zu. Danach sollen Initiativkomitees neu ihre Initiative unter der Bedingung zurückziehen können, dass der indirekte Gegenvorschlag nicht in einer Volksabstimmung abgelehnt wird. Stimmt auch der Nationalrat in der Herbstsession dieser Änderung zu, kann diese bereits auf die Volksinitiative „Lebendiges Wasser“ Anwendung finden.

Die Kommission tagte am 20./21. August 2009 unter dem Vorsitz ihres Präsidenten Gerhard Pfister (CVP, ZG) in dessen Heimatkanton Zug. Über weitere von der Kommission behandelte Geschäfte wird in einer späteren Medienmitteilung informiert.

Bern, 21. August 2009 Parlamentsdienste

Quelle: Die Bundesversammlung – Das Schweizer Parlament

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