Wieso in Schweden die CO2-Steuer auf Treibstoffen nicht wie erhofft wirkt – Lehre für die Schweiz?

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Als eines der ersten Länder Europas überhaupt hat Schweden im Jahr 1991 damit begonnen, eine umfassende CO2-Steuer einzuführen. Vor allem dank den Anstrengungen im Industriesektor konnte in der Folge insgesamt eine Reduktion der CO2-Emissionen zwischen 1990 und 2002 von zwei Prozent erreicht werden. Im Transportsektor allerdings stiegen die CO2-Emissionen seit 1990 um zehn Prozent an – dies, obwohl Schweden (zusammen mit Deutschland) die höchsten ökologisch motivierten Steuern auf unverbleitem Benzin erhebt. Gründe dafür könnten verschiedene sein:

Vergleicht man erstens die absoluten Benzinpreise in europäischen Ländern – unter Ausklammerung der Schweiz – miteinander, so liegen diese in Schweden am tiefsten. Trotz des höchsten ökologisch motivierten Zuschlags auf Treibstoffen fällt Schwedens steuerliche Belastung der Treibstoffe insgesamt geringer aus als in den anderen Staaten der EU-15, die indes zusätzlich fiskalisch begründete Treibstoffzuschläge erheben.

Zweitens bestehen für Schwedens Motorfahrzeugverkehr aufgrund der geografischen Gegebenheiten eher geringe Substitutionsmöglichkeiten. So fällt die Umstellung vom motorisierten Individualverkehr auf den öffentlichen Verkehr in einem derart weitläufigen Land mit wenig zentralisierten Strukturen schwer. Die Lenkungsabgabe auf Treibstoffen kann also mangels gleichwertiger Mobilitätsalternativen nicht wirken.

Zum Dritten hat das Wirtschaftswachstum Schwedens in den vergangenen zehn Jahren sowohl über dem Durchschnitt der EU als auch über jenem der Schweiz gelegen. Unbestritten ist, dass das Wirtschaftswachstum einen treibenden Faktor für die Energienachfrage unter anderem im Verkehrsbereich darstellt. Wie das Beispiel Schweden eindeutig bestätigt, können trotz CO2-Steuer die Emissionen im Transportsektor ansteigen. Eine Entkoppelung zwischen Wirtschaftswachstum und Verkehrsvolumen bzw. den entsprechenden CO2-Emissionen findet demnach nicht statt.

Der Herrgårdsvagn ist ein Muss
Schweden ist flächenmässig nur wenig grösser als Deutschland, weist jedoch nur einen Neuntel der Einwohner unseres nördlichen Nachbarlands auf. Haushalte in ländlichen, lose überbauten Gegenden sind zahlreich und haben einen höheren Transportbedarf als solche in städtischen, dicht bevölkerten Gebieten. Es ist evident, dass ein höherer Transportbedarf auch einen grösseren Energiebedarf bewirkt.

Die Schweden haben zudem eine Vorliebe für bequemes Reisen. Der schwedische Nachfragemarkt richtet sich nach hubraumstarken Fahrzeugen aus. Mittel- und Oberklassfahrzeuge erfreuen sich äusserster Beliebtheit. Kleinwagen können nur schlecht oder gar nicht abgesetzt werden; sie fehlen deshalb im Angebot weitgehend. Der Herrgårdsvagn (Kombiwagen) ist ein Muss für jede junge Familie, die auf dem Land lebt. Eine wichtige Rolle spielt nicht zuletzt auch die einheimische Fahrzeugherstellung (Volvo und Saab), die traditionellerweise leistungsstarke Personenwagen auf den Markt gebracht hat und bringt.

Im Weiteren ist das Durchschnittsalter der schwedischen Fahrzeuge im europäischen Vergleich hoch. Mehr als die Hälfte der Schweden besitzen ein Auto, das älter als zehn Jahre ist. Unterstützt durch das System – man bezahlte ihn Schweden bis vor kurzem für moderne und neue Fahrzeuge mehr Steuern als für alte – war die Bereitschaft der Konsumenten gering, ein neues Auto zu erwerben. Kommt hinzu, dass die „Lebenserwartung“ der Fahrzeuge dank dem trockenen Klima und dem weitverbreiteten Verzicht auf Streusalzeinsatz im Winterdienst einiges über dem Durchschnitt liegt. Dies alles sind Gründe dafür, dass es in Schweden etwas länger gedauert hat, bis sich die Massnahmen der inländischen Fahrzeugindustrie zur Senkung des Treibstoffverbrauchs in den Verbrauchsstatistiken niederschlugen.

Bonus für umweltfreundliche Autos
Ausserdem wurde die staatliche Förderung umweltfreundlicher Autos in Schweden erst vor kurzem lanciert. So bestanden noch bis ins Jahr 2006 bedeutende Steuernachteile für verbrauchsgünstige Diesel-Personenwagen, deren Motorfahrzeugsteuer mehr als dreimal so hoch war wie jene für Personenwagen mit Ottomotor. Erst eine für den Sommer 2006 beschlossene Gesetzesänderung hob die bisherigen Steuernachteile für Diesel-Autos auf.

Die Folge dieser Politik war es, dass der Anteil an Diesel-Personenwagen am Automarkt in Schweden wesentlicher tiefer ausfiel als in den meisten anderen Staaten der EU-15. Erst in jüngster Zeit erlebte die Treibstoff sparende und CO2-Emissionen mindernde Dieseltechnologie einen Aufschwung: Von 2005 (Anteil knapp 10%) bis 2006 verdoppelte sich der Anteil der Neuwagen mit Dieselmotor auf zirka 280’000 Fahrzeuge.

Ende März 2007 gab die schwedische Regierung bekannt, dass sie den Kauf umweltfreundlicher Fahrzeuge – besonders effiziente oder mit alternativen Treibstoffen fahrende Autos (so genannte „green cars“) – mit einem Zuschuss von 10’000 Kronen (rund 1’800 Franken) unterstützen will. Dieser Bonus wird von April 2007 zunächst bis Dezember 2009 gewährt. Die staatliche Finanzhilfe bezweckt, mehr Leute dazu zu bewegen, umweltfreundliche Autos zu kaufen. Im Jahr 2007 will die schwedische Regierung für die Zuschüsse total 50 Millionen Kronen (gut neun Millionen Franken) und in den Jahren 2008/2009 jeweils den doppelten Betrag bereit stellen.

Dieses Vergünstigungspaket hat bereits Wirkung gezeitigt: Im ersten Halbjahr 2007 stieg die Anzahl neu immatrikulierter „Umweltautos“ laut dem Branchenverband BIL Sweden um 25 Prozent. Im Juni 2007 figurierten 17,4 Prozent aller neu angemeldeten Personenwagen in diesem Segment; Ende 2007 waren vier von fünf verkauften Topmodellen der Marke Saab „Bio-Power“-Autos.

Es braucht echte Alternativen
Als Fazit kann festgehalten werden, dass das Wirtschaftswachstum eine treibende Kraft für die Energienachfrage, insbesondere im Verkehrsbereich darstellt. Trotz hoher CO2-Steuer können die Emissionen im Transportsektor ansteigen – vor allem dann, wenn ein starkes Wirtschaftswachstum besteht.

Die Preiselastizität im Bereich des motorisierten Strassenverkehrs ist tief. Erfahrungsgemäss reagiert die Energienachfrage auf Preiserhöhungen nur geringfügig. Entsprechend fehlt die Wirksamkeit von Lenkungsabgaben (z.B. CO2-Abgabe) auf Treibstoffen.

Lenkungsmassnahmen beim Motorfahrzeugverkehr setzen Substitutionsmöglichkeiten voraus. Wo keine – in jeder Hinsicht – gleichwertigen Angebote (alternative Verkehrsträger oder Fahrzeuge) vorhanden sind, bleiben Lenkungsabgaben wirkungslos. Wo hingegen echte Alternativen bestehen (z.B. neue Dieseltechnologie), vermögen Anreizmechanismen das Marktverhalten zu beeinflussen.

Quelle: strasseschweiz

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