Gültigkeit von Volksinitiativen: Kommission will Bundesgericht einbeziehen

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Gemäss Bundesverfassung gibt es für die Gültigkeit einer Volksinitiative nur eine materielle Voraussetzung, die Einhaltung der zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts. Dazu gehören insbesondere der Kern des humanitären Kriegsvölkerrechts, das Gewaltverbot, das Aggressionsverbot, das Genozid- und das Folterverbot. Volksinitiativen jedoch, welche anderen Bestimmungen des Völkerrechts, etwa den Verfahrensgarantien der EMRK widersprechen, sind als gültig zu erklären. Nationalrat Daniel Vischer (Grüne, ZH) fordert nun mit seiner parlamentarischen Initiative eine Änderung der Bundesverfassung, wonach eine Volksinitiative auch dann als ungültig zu erklären sei, wenn sie materiell gegen den Grundrechtsschutz und gegen Verfahrensgarantien des Völkerrechts verstösst ( 07.477 n Pa.Iv. Vischer. Gültigkeit von Volksinitiativen.)

Die SPK sieht hier ebenfalls Handlungsbedarf und stimmt der parlamentarischen Initiative mit 10:10 Stimmen und Stichentscheid des Präsidenten zu. Die Kommission sieht die Problematik insbesondere darin, dass die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger über Volksinitiativen abstimmen, die unter Umständen zu einem grösseren Teil nicht gemäss ihrem Wortlaut umgesetzt werden können. Es soll deshalb geprüft werden, ob Kriterien gefunden werden können, welche es erlauben, solche Initiativen für ungültig zu erklären. Es geht jedoch nicht an, dass sich die Bundesversammlung mit einer Erweiterung des Kriterienkatalogs ihren Handlungsspielraum erweitert. Die Kriterien sollen nicht aufgrund von politischem Gutdünken angewendet werden, sondern gemäss juristischen Regeln. Es drängt sich deshalb auf, das Bundesgericht hier als Prüfungsinstanz einzusetzen.

Da die überwiegende Anzahl Verfassungsänderungen nicht auf Volksinitiativen, sondern auf Entwürfe des Parlamentes zurückgeht, ist zudem die Frage zu stellen, ob das Bundesgericht bei der Rechtsanwendung nicht auch Verfassungsänderungen und Bundesgesetze überprüfen können soll. Die Kommission hat hier von zwei Staatsrechtsprofessoren anregende Ideen erhalten, die es wert sind, weiterverfolgt zu werden, ohne dass bei der Vorprüfung schon Vorentscheide gefallen sind.

Der Kommission geht es insbesondere darum, dass die direkte Demokratie nicht an Glaubwürdigkeit verliert. Wenn denn Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern vor einer Volksabstimmung gesagt wird, das Anliegen werde vielleicht nur teilweise oder in anderer Form umgesetzt werden, geht das Vertrauen in die Demokratie verloren.

Die Minderheit der Kommission spricht sich gegen die Ergänzung der Kriterien für die Gültigkeit und die Prüfung der Gültigkeit durch das Bundesgericht aus. Schon wiederholt, z.B. auch im Rahmen der Reform der Bundesverfassung, sei vergeblich versucht worden, sinnvolle Kriterien zu finden. Es gebe kaum Kriterien, welche präzis genug sind, dass in jedem konkreten Fall eindeutig beurteilt werden kann, ob die Initiative gültig ist oder nicht. Auch wenn das Bundesgericht diese Überprüfung vornehmen soll, werden politische Überlegungen bei der Beurteilung mitschwingen. Für die Initianten und Initiantinnen würde die Einreichung einer Volksinitiative zur Lotterie, könnten sie doch nie ganz sicher sein, ob ihre Initiative nicht doch für ungültig erklärt würde.

Bevor die SPK des Nationalrates mit ihrer Arbeit beginnen kann, muss noch die SPK des Ständerates ihre Zustimmung zur parlamentarischen Initiative geben.

Die Kommission tagt am 21./22. August 2008 in Bern unter der Leitung ihres Präsidenten, Nationalrat Gerhard Pfister (CVP/ZG).

Über weitere an der Sitzung behandelte Geschäfte wird in einer Medienmitteilung am Freitagnachmittag, 22. August 2008 informiert werden.

Bern, 21. August 2008 Parlamentsdienste

Quelle: Das Schweizer Parlament

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