Strasseschweiz: Unausgegoren, ungerecht, unredlich

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Unausgegoren liegt sie auf unseren Tischen. Die Vorlage heisst «Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur», mit eingebürgertem Kürzel: FABI. Die Volksabstimmung über die Initiative «Für den öffentlichen Verkehr» des Verkehrs-Clubs der Schweiz (VCS) hat die Regierung dazu getrieben, einen Gegenvorschlag auszuarbeiten. Was – es kann nicht genug wiederholt werden – eine grundlegend falsche Strategie ist: Die ruinöse Vorlage aus der ideologischen Mottenkiste, die ja auch der Bundesrat selbst klar ablehnt, gehört ohne Gegenvorschlag vors Volk.

Der dennoch entwickelte FABI-Gegenvorschlag lässt vor allem eines erahnen: Regierung und Verwaltung sind intensiv auf der Suche nach Geld für den hoch defizitären öV, und hier insbesondere für den Verkehrsträger Schiene. Fündig sind die Sucher im bundesrätlichen Auftrag sehr bald geworden: nämlich bei den Automobilistinnen und Automobilisten. Sie sollen, in Zukunft noch mehr als heute, die Defizitpolitik beim öV dauerhaft absichern.

Dies trotz ausgewiesenem Eigenbedarf, denn es fehlt anerkanntermassen an allen Ecken und Enden Geld zur Lösung der dringendsten Probleme im Strassenverkehr. Stichworte sind hier: Beseitigung der zahlreichen Kapazitätsengpässe, Sanierung schadhafter Strassen oder Aufrechterhaltung und Verbesserung der Verkehrs- und Strassensicherheit. Man fährt lieber weiter in die falsche Richtung, statt in der nationalen Verkehrspolitik endlich Kostentransparenz herzustellen.

Wer mit dem Auto zur Arbeit muss, schaut in die Röhre
Um die finanzpolitisch utopischen «Bahnträume» am Leben zu erhalten, hat der Bundesrat in seiner FABI-Vorlage gleich mehrere «Kniffe» angewendet, wie er sich aus den Portemonnaies der Auto fahrenden und arbeitstätigen Bevölkerung bedienen kann.

So soll der Steuerabzug für Fahrkosten bei der Mehrheit der Berufstätigen, namentlich bei unselbstständig erwerbenden Steuerpflichtigen, auf 3000 Franken jährlich beschränkt werden. Auf diese Weise will die Landesregierung rund 200 Millionen Franken aus der direkten Bundessteuer generieren und in den Bahninfrastrukturfonds (BIF) umleiten. Auf gut Deutsch heisst das: Wer mit dem Auto zur Arbeit pendelt, kann künftig nicht mehr die tatsächlichen Fahrkosten abziehen, sondern nur noch maximal 3000 Franken. Wer als Autopendlerin oder Autopendler einen Arbeitsweg von mehr als zehn Kilometern hat, schaut in die Röhre, denn sie oder er bezahlt mehr Steuern – und der Bund freut sich auf Mehreinnahmen zugunsten des öV. Weil nur ein kleiner Teil der öV-Pendler Abonnemente zum Preis über 3000 Franken besitzt, sind sie von der Massnahme kaum betroffen.

Soll der Fahrkostenabzug beschränkt werden, stellen sich unweigerlich rechtliche Fragen: Wäre die Beschränkung des Fahrkostenabzugs überhaupt verfassungskonform, insbesondere hinsichtlich der Rechtsgleichheit und des Gebots der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit? Konkret: Wie steht es um die Gleichbehandlung von selbstständig und unselbstständig Erwerbenden? Und wie um diejenige der Pendler mit einem längeren oder entsprechend kürzeren Arbeitsweg?

Vorab: Die Schweizerische Bundesverfassung (BV) hält in Artikel 8 fest, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich seien. Dieser Gleichheitssatz richtet sich an rechtssetzende und rechtsanwendende Behörden. Das Schweizerische Bundesgericht bringt diesen Umstand verkürzt auf folgende verständliche Formel: Gleiches ist gleich, Ungleiches ist ungleich zu behandeln. Im Bereich der Steuern resultiert daraus das verfassungsmässige Gebot zur Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Art. 127 BV).

Ungenügende Verfassungstreue des Bundesrats
Der Gleichheitssatz gilt selbstverständlich auch für Autopendler. Will ihn der Bundesrat aushebeln, braucht er eine gute Begründung. Diese fehlt jedoch in der Botschaft des Bundesrats an den Gesetzgeber.

Einzige Begründung zur Verletzung des Gleichbehandlungsgebots ist die Erschliessung einer neuen Finanzierungsquelle für den neuen Bahninfrastrukturfonds. Die Landesregierung möchte höhere Steuereinnahmen erzielen. Dieses Ansinnen alleine reicht als Begründung allerdings nicht aus. Das zeigt etwa der Blick über die Landesgrenze. Das deutsche Bundesverfassungsgericht kam nämlich zum Schluss, dass einzig die Erhöhung staatlicher Einnahmen als Zweck für Abzugsverbote nicht genügt. Wer den Fahrkostenabzug beschränken will, braucht einen tragfähigen und verfassungsrechtlich legitimen Grund – der Wunsch des Staates, über mehr Geld zu verfügen, ist nicht ausreichend.

Aufgrund der Beschränkung resultiere eine steuerliche Gleichbehandlung, gibt der Bundesrat vor – eine verquere Annahme. Wahr ist: Die Beschränkung des Fahrkostenabzugs gilt wohl für alle – nicht alle trifft es aber gleich. Die angebliche Gleichbehandlung ist eher eine mittelbare Ungleichbehandlung zulasten der motorisierten Berufspendler. Dies ist vor der Verfassung nicht ohne Weiteres zulässig. Wenn der Bundesrat Einfluss auf die Verkehrsmittelwahl der Schweizerinnen und Schweizer nehmen will, so soll er dies bitte schön auch darlegen und dem Souverän zur Genehmigung unterbreiten.

Übrigens: Wieso soll eine bessere Bahninfrastruktur nur von den unselbstständig Erwerbstätigen mitfinanziert werden? Die Beschränkung des Fahrkostenabzugs betrifft nämlich nur die Arbeitnehmenden. Auch selbstständig Erwerbende würden von einer besseren Bahninfrastruktur profitieren, einen zusätzlichen finanziellen Beitrag müssten sie dazu aber nicht leisten.

Was hat es schliesslich noch mit dem durch die BV garantierten Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu tun, wenn Steuerpflichtige ohne zumutbaren öV-Anschluss und mit einem Arbeitsweg unter zehn Kilometern, einen Abzug für die effektiven Fahrkosten machen dürfen, solce mit einem längeren Weg aber nicht? Da würden neue Ungerechtigkeiten geschaffen.

Fazit: Die Begrenzung des Fahrkostenabzugs steht verfassungsrechtlich auf tönernen, sehr tönernen Füssen.

NEAT-Viertel – Benzinkäufer bezahlt «Bahnträume»
Der Bund will zur Finanzierung seiner «Bahnträume» aber nicht nur die Steuern der Autopendler erhöhen, sondern auch den NEAT-Viertel verlängern. Der NEAT-Viertel ist faktisch nichts anderes als eine eigentliche Querfinanzierung hochfliegender Bahnpläne durch die Benzinkäufer.

Der Name sagt, was versprochenes Programm ist: Wenn ein Viertel der NEAT-Basislinien bezahlt ist, dann gehört dieses Geld wieder den Strassenbenützern. Seit bald 15 Jahren fliessen jedes Jahr rund 300 Millionen Benzinfranken in die beiden Eisenbahntunnels. Im Jahr 2018 ergibt das nach Adam Riese (sic) rund sechs Milliarden Franken. Damit haben die Autofahrenden aus ihrem Sack einen Viertel der beiden Alpendurchstiche bezahlt. Die ausschliesslich für den Bau der NEAT-Linien umgeleiteten Benzingelder haben also ab 2018 wieder vollumfänglich der Strasse zuzufliessen.

Geht es nach den bundesrätlichen Plänen, soll dieses Geld aber erst im Jahr 2030 wieder für Strassenzwecke verwendet werden. Das ist erstens unredlich, denn der NEAT-Viertel wurde der Bevölkerung klar befristet verkauft. Und das ist zweitens stossend, denn bereits in einigen Jahren ist eine Unterdeckung der Spezialfinanzierung Strassenverkehr (SFSV) absehbar, und ab dann ist mit zusätzlichen Benzinabgaben für den Verkehrsträger Strasse zu rechnen.

Quelle: strasseschweiz

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