Volksinitiative für die Unverjährbarkeit pornographischer Straftaten an Kindern

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Die Kommission hat die von dem Verein «Marche Blanche» eingereichte Volksinitiative behandelt (07.063 Für die Unverjährbarkeit pornographischer Straftaten an Kindern. Volksinitiative). Die Initiative verlangt, dass sexuelle oder pornografische Straftaten an Kindern vor der Pubertät unverjährbar sein sollen. Nach dem geltenden Recht besteht für schwere Straftaten gegen die sexuelle Integrität von Kindern unter 16 Jahren eine Verjährungsfrist von 15 Jahren. Die Verjährung dauert aber in jedem Fall mindestens bis zum vollendeten 25. Lebensjahr des Opfers (Art. 97 Abs. 2 StGB).
Die Kommission beantragt mit 16 zu 3 Stimmen bei 4 Enthaltungen, die Volksinitiative abzulehnen. Sie ist wie der Bundesrat der Ansicht, die Unverjährbarkeit sei unverhältnismässig, weil sie über das hinausgeht, was notwendig ist, um zu verhindern, dass ein Opfer keine Strafanzeige bzw. Strafklage mehr einreichen kann, wenn es dazu in der Lage ist. Sie hält fest, dass die Initiative rechtlich problematische Begriffe verwendet. Mit dem Begriff «pornografische Straftaten» würde selbst der Besitz von Pornografie zu einer unverjährbaren Straftat, was unverhältnismässig scheint. Auch würde der Begriff «Kinder vor der Pubertät» zu einer Ungleichbehandlung der Opfer führen, weil die Pubertät je nach Geschlecht und Individuum zu einem unterschiedlichen Zeitpunkt eintritt. Zudem lässt sich Jahre später nur schwer beweisen, ob sich das Opfer zum Zeitpunkt der Tat noch nicht in der Pubertät befand.

Die Kommission teilt die Auffassung des Bundesrates, dass die Unverjährbarkeit paradoxe Auswirkungen haben kann: Je länger die Straftat zurückliegt, umso eher wird eine zuverlässige Feststellung der Tatsachen erschwert, weil Zeugen unauffindbar oder verstorben sind, das Erinnerungsvermögen nachlässt oder Beweise vernichtet bzw. nicht mehr vorhanden sind. Schliesslich könnte ein Freispruch nach dem Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ eine erneute Traumatisierung des Opfers zur Folge haben.

Die Kommission ist allerdings der Ansicht, dass den Opfern für die Einreichung einer Strafklage eine längere Bedenkfrist eingeräumt werden sollte. Sie sprach sich mit 16 zu 5 Stimmen bei 2 Enthaltungen für den Gegenvorschlag des Bundesrates aus, wonach das Strafgesetzbuch und das Militärstrafgesetz so zu ändern sind, dass die Opfer von schweren Sexualdelikten sowie von schwersten Delikten gegen Leib und Leben eine längere Bedenkfrist erhalten sollen. Neu soll die in der Regel 15-jährige Verjährungsfrist für diese Delikte erst ab Volljährigkeit des Opfers zu laufen beginnen. Somit wird sich das Opfer bis zum Alter von 33 Jahren für ein Verfahren entscheiden können. Diese Regelung gilt nur bei mündigen Tätern. Die Mehrheit der Kommission erachtet den Gegenentwurf als eine vernünftige Lösung, welche übrigens den Regelungen fast aller europäischen Länder entspricht. Für eine Minderheit der Kommission ist die Frist des Gegenentwurfs nicht genug lang; sie schlägt vor, die Frist an dem Tag laufen zu lassen, an dem das Opfer sein 25. Lebensjahr vollendet hat oder vollendet hätte. Die Kommission hat diesen Antrag mit 15 zu 7 Stimmen abgelehnt.
Eine Kommissionsminderhit beantragt, die Volksinitiative zur Annahme zu empfehlen, weil in ihren Augen der Gegenvorschlag keine befriedigende Lösung darstellt.

Die Kommission beantragt ohne Gegenstimme, die parlamentarische Initiative Abate (03.424 Pa. Iv. Abate Fabio. Erhöhung des Strafmasses gemäss Artikel 187 StGB) abzuschreiben, welcher der Nationalrat im September 2004 Folge gegeben hatte. Die Initiative verlangt, dass für sexuelle Handlungen mit Kindern (Art. 187 Ziff. 1 StGB) die Höchststrafe von bisher fünf auf zehn Jahre Zuchthaus heraufgesetzt wird. In den Augen der Kommission bieten die neuen, im Dezember 2007 von der Bundesversammlung verabschiedeten Bestimmungen zur lebenslänglichen Verwahrung extrem gefährlicher Straftäter sowie der indirekte Gegenvorschlag zur oben genannten Volksinitiative des Vereins „Marche Blanche“ einen besseren Schutz der Kinder vor sexuellen Handlungen. Die Kommission betont ausserdem, dass das geltende Recht ein ausgewogenes System vorsehe, in welchem Artikel 187 StGB Fälle mit begrenzter Schwere erfasst; der Artikel setzt nicht voraus, dass der Täter Zwang auf das Opfer ausübt, und er ist auch bei einer freiwilligen Liebesbeziehung zwischen zwei Jugendlichen anwendbar. Für schwere Fälle sind die Artikel 189 (sexuelle Nötigung), 190 (Vergewaltigung) und 191 StGB (Schändung) anzuwenden, die Höchststrafen von 10 Jahren vorsehen.

Die Kommission hat ausserdem beschlossen, drei parlamentarischen Initiativen keine Folge zu geben (04.469 Pa.Iv. Simoneschi-Cortesi. Obligatorischer Strafregisterauszug für Personen, die mit Kindern arbeiten; 04.473 Pa.Iv. Darbellay. Pädophile Straftäter. Verbot der Ausübung von Berufen mit Kindern; 04.441 Pa.Iv. Freysinger. Verurteilung wegen Pädophilie. Keine Streichung aus dem Strafregister). Der parlamentarischen Initiative von Nationalrätin Simoneschi-Cortesi wurde mit 13 zu 8 Stimmen, jener von Nationalrat Darbellay mit 11 zu 10 und jener von Nationalrat Freysinger mit 12 zu 11 keine Folge gegeben. Das Bedürfnis, Kinder vor Pädophilie zu schützen, wurde klar bejaht. Jedoch wurden die vorgeschlagenen Massnahmen als nicht oder nur mit gravierenden Mängeln umsetzbar eingestuft. Zudem wurden die Auswirkungen als unverhältnismässig angesehen. So würde bei der parlamentarischen Initiative Freysinger die Resozialisierung pädophiler Täter stark erschwert. Der Strafauszug würde den Täter lebenslang als solchen auszeichnen und ihn dadurch auch bei Tätigkeiten ohne Kontakt zu Kindern beeinträchtigen. Die parlamentarische Initiative Darbellay bezieht sich auf Art. 187 StGB (Begründung siehe vorherigen Absatz). Bei der parlamentarischen Initiative Simoneschi wurde auf die fehlende Bundeskompetenz aufmerksam gemacht, welche eine flächendeckende Umsetzung verunmöglichen würde.

Eine Minderheit beantragt, allen drei parlamentarischen Initiativen Folge zu geben. Sie ist der Ansicht, dass die vorgeschlagenen Massnahmen zu einem besseren Schutz der Kinder führen würden. Die Einzelheiten sollten in einer zweiten Phase geprüft werden.

Die Kommission hat zudem die Detailberatung der Vorlage zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (06.062) fortgesetzt. Sie wird über dieses Geschäft nach Abschluss der Detailberatung informieren.

Die Kommission für Rechtsfragen hat am 17. und 18. Januar 2008 unter dem Vorsitz von Nationalrätin Gabi Huber (FDP/UR) und teils in Gegenwart von Bundesrätin Widmer-Schlumpf getagt.

Auskünfte:
Gabi Huber, Präsidentin der Kommission, Tel. 041 870 56 56; 076 331 88 88
Anita Thanei, Vize-Präsidentin der Kommission, Tel. 043 322 07 55; 079 634 47 18
Christine Lenzen, Kommissionssekretärin, Tel. 031 322 97 10

Quelle: Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates

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