Kein Amtsenthebungsverfahren

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Am 5. September 2007 verabschiedete die Geschäftsprüfungskommission des National­rates (GPK-N) ihren Bericht „Überprüfung der Funktion der Strafverfolgungsbehörden des Bundes“. Die GKP-N stellte ihren Bericht der Gerichtskommission (GK) zur Information zu. Die geschah gestützt auf Artikel 40a Absatz 6 des Parlamentsgesetzes (ParlG), wonach die Geschäftsprüfungskommissionen und die Finanzdelegation Feststellungen, welche die fachliche oder persönliche Eignung von Richterinnen und Richtern ernsthaft in Frage stellen, der Gerichtkommission zu Kenntnis bringen.

Bereits im Jahr 2007 entschied die GK, die Stellungnahmen des Bundesstrafgerichts und des Bundesrates zum Bericht der GPK-N abzuwarten, bevor sie sich materiell damit befasst. In der Zwischenzeit gab die GK zwei Gutachten in Auftrag, wel­che die Amtspflichten der Richterinnen und Richter der erstinstanzlichen eidgenössischen Gerichte und das generell-abstrakte Verfahren der Kommission für einen Antrag auf Amts­enthebung oder auf Nichtwiederwahl darlegen sollten (vgl. Medienmitteilungen GK vom 27. September 2007 und vom 15. November 2007). Die Gutachten wurden von Frau Prof. Regina Kiener, Institut für öffentliches Recht der Universität Bern, und dem Bundesamtes für Justiz erstellt und sind im Internet zugänglich.

Das Bundesstrafgericht nahm am 7. November 2007 zum Bericht der GPK-N Stellung, der Bundesrat am 28. November 2007.

Die GK ist gemäss Parlamentsgesetz (ParlG) zuständig für die Vorberei­tung der Wahl und Amtsenthebung von Richterinnen und Richtern der eidgenössischen Gerichte (Art. 40a Abs. 1 ParlG). Sie hat hingegen keinerlei Aufsichtskompetenzen und hat deshalb weder zu den im Bericht der GPK-N erwähnten aufsichtsrechtlichen Fragen noch zu den von der GPK-N in ihrem Bericht geäusserten Empfehlungen Stellung zu nehmen. Der Bericht der GPK-N betrifft die GK nur insofern, als er Aussagen zu Handlungen des Präsidenten der I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts, Herrn Emanuel Hochstrasser, enthält. Aufgabe der GK ist es allein, zu beurteilen, ob sie aufgrund des Berichts der GPK-N ein Amtsenthebungsverfahren einleiten will oder nicht.

Die Amtsenthebungsgründe werden im Strafgerichtsgesetz (SGG) und im Verwaltungsge­richtsgesetz (VGG) abschliessend aufgezählt: Die Bundesversammlung kann einen Richter oder eine Richterin nur des Amtes entheben, wenn er oder sie „die Fähigkeit, das Amt aus­zuüben auf Dauer verloren hat“, oder „vorsätzlich oder grob fahrlässig Amtspflichten schwer verletzt hat“ (Art. 10 SGG und Art. 10 VGG). Eine Amtsenthebung aus disziplinarischen Gründen ist somit an sachliche und strenge Voraussetzungen geknüpft. Eine schwere Amtspflichtverletzung kann nur „krasses Fehlverhalten umfassen“, das zudem „in schuld­hafter Weise (vorsätzlich oder grobfährlässig) begangen worden sein muss“ (vgl. Gutachten des Bundesamtes für Justiz, S. 7.)

Unabdingbare Voraussetzung für die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens ist ein konkreter und begründeter Verdacht, dass ein Richter oder eine Richterin ihre Amtspflichten in der beschriebenen Weise verletzt hat. Dies betont auch das Gutachten von Frau Prof. Kiener: „Amtsenthebungsverfahren sind von erheblicher staatspolitischer Bedeutung. Auf dem Spiel steht nichts weniger als die richterliche Unabhängigkeit (Art. 191c BV, Art. 30 Abs. 1 BV), die ein zentrales Merkmal eines rechtsstaatlichen Gemeinwesens darstellt. Aus der Sicht der Rechtsgemeinschaft sichert die Unabhängigkeit der Justiz das Vertrauen in die gerichtlichen Verfahren und stärkt die Geltungskraft richterlicher Urteile; sie dient damit der Legitimation der Justiz im demokratischen Rechtsstaat. Diese Werte nehmen Schaden, wenn ein Amtsenthebungsverfahren ohne konkreten und schwer wiegenden Anlass einge­leitet wird – aber auch dann, wenn ein solches Verfahren trotz Vorliegen solcher Gründe unterbleibt.“ (Gutachten Prof. Kiener, S. 12)

Die GK ist aufgrund einer Analyse des Berichtes der GPK-N vom 5. September 2007 zum Schluss gekommen, dass gegen den Präsidenten der I. Beschwerdekammer, Herrn Emanuel Hochstrasser, kein konkreter und begründeter Verdacht auf eine vorsätzliche oder grob fahrlässige schwere Amtspflichtver­letzung vorliegt. Basierend darauf hat die Kommission deshalb festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens nicht erfüllt sind.

Die Gerichtskommission tagte am 2. Juli 2008 unter dem Vorsitz von Ständerat Hermann Bürgi (SVP/ TG) in Bern.

Bern, 4. Juli 2008 Parlamentsdienste

Quelle: Schweizer Parlament

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