WAK-S: Revision des Bundesgesetzes über die technischen Handelshemmnisse gutgeheissen

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Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates spricht sich für die autonome Einführung des Cassis-de-Dijon-Prinzips aus. Bezüglich der Sonderregelung für Lebensmittel folgt sie mit Stichentscheid der Präsidentin der Botschaft des Bundesrates, während sie bei den Bestimmungen zur Vermeidung der Inländerdiskriminierung eine andere Lösung vorsieht.

1. Bundesgesetz über die technischen Handelshemmnisse (08.054)
Anlässlich ihrer Sitzung vom 30. Oktober ist die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates (WAK-S) einstimmig auf die vorliegende Botschaft des Bundesrates zur Teilrevision des Bundesgesetzes über die technischen Handelshemmnisse eingetreten. Am 29. Januar hat sie eine erste Lesung der vorgeschlagenen Gesetzesänderung vorgenommen und dabei gewisse Grundsatzentscheide gefällt. An der aktuellen Sitzung hat die Kommission eine 2. Lesung durchgeführt. In der Zwischenzeit hatte die Verwaltung zu den getroffenen Grundsatzentscheiden Stellung genommen und ausserdem einige offene Punkte geklärt.

Was die autonome Einführung des so genannten Cassis-de-Dijon-Prinzips betrifft, hält die Kommission an ihrem Grundsatzentscheid der letzten Sitzung fest, der Botschaft des Bundesrates zu folgen. Dadurch sollen in der Schweiz auch solche Produkte in Verkehr gebracht werden können, welche nach den Vorschriften der EG oder eines EG/EWR-Mitgliedstaates hergestellt und dort rechtmässig in Verkehr sind. Das Cassis-de-Dijon-Prinzip wird nicht gelten für Produkte, die einer Zulassungspflicht oder einem Einfuhrverbot unterliegen oder einer vorgängigen Einfuhrbewilligung bedürfen, ebenso wenig wie für Produkte, für die der Bundesrat Ausnahmen beschlossen hat.

Bei den Bestimmungen zur Vermeidung der Inländerdiskriminierung hat die Kommission im Januar die Lösung des Bundesrates abgelehnt und sich stattdessen für eine liberalere Variante entschieden, wonach Schweizer Produzenten, welche nur für den Schweizer Markt produzieren, beantragen können, nach den Vorschriften der EG oder eines EG- oder EWR-Mitgliedstaates produzieren zu dürfen, auch wenn kein Härtefall vorliegt. Die Kommission bestätigt nun diesen Entscheid. Sie präzisiert allerdings die Bedingungen, welche ein Schweizer Hersteller, der nur für den inländischen Markt produziert, erfüllen muss. Die Bewilligung wird demnach erteilt, wenn der Gesuchsteller glaubhaft macht, dass er die Konformität seines Produktes mit den Vorschriften der EG oder eines EG- oder EWR- Mitgliedstaates gewährleisten kann und wenn keine überwiegenden öffentlichen Interessen gefährdet sind. Die Bewilligung kann als Allgemeinverfügung erteilt werden.

An der letzten Sitzung hat die Kommission ausserdem entschieden, dass ein Schweizer Produzent, der für seine Produkte die Schweiz als Produktionsland angibt, auch angeben muss, nach welchen ausländischen technischen Vorschriften das entsprechende Produkt hergestellt worden ist. Die Kommission beschliesst nun mit 7 zu 3 Stimmen bei 2 Enthaltungen, diese Bestimmung wieder aus dem Gesetz zu streichen. Sie begründet diesen Entscheid damit, dass sie keine neue Diskriminierung für inländische Hersteller gegenüber ausländischen Produzenten kreieren will.

Für den Import von Lebensmitteln beschloss die Kommission an der letzten Sitzung, dem Bundesrat zu folgen. Gemäss diesem Entscheid bedarf das Inverkehrbringen von Lebensmitteln, welche durch die Anwendung des Cassis-de-Dijon-Prinzips in die Schweiz kommen, einer Bewilligung des Bundesamtes für Gesundheit (BAG). Für die aktuelle Sitzung hat die Verwaltung nun neue, schlankere Bestimmungen für die Erteilung dieser Bewilligung erarbeitet. Die Kommission spricht sich mit Stichentscheid der Präsidentin bei 3 Enthaltungen für diesen Vorschlag und gegen die Streichung der Spezialregelung für die Lebensmittel aus. Sie hält damit am Argument fest, dass diese Regelung für den Gesundheitsschutz und die Entlastung der Kantone bei der Lebensmittelkontrolle notwendig ist. Ausserdem kann die Inländerdiskriminierung vermieden werden. Die Bewilligung wird vom BAG nämlich als Allgemeinverfügung erteilt, auf welche sich ausländische und inländische Hersteller berufen können. Nach Meinung der Minderheit sollten die Lebensmittel wie alle anderen Produkte behandelt werden und ohne Bewilligung in die Schweiz importiert werden können, sofern sie den technischen Vorschriften der EG oder eines EG- oder EWR-Mitgliedstaates entsprechen und dort rechtmässig in Verkehr sind. Sie stellt deshalb dem Ständerat den Antrag, die gesamten Sondervorschriften über die Lebensmittel zu streichen. Ebenfalls im Bezug auf die Lebensmittel spricht sich die Kommission mit 6 zu 4 Stimmen gegen einen Antrag aus, die Sonderregelung auf Gebrauchsgegenstände auszuweiten.

Bezüglich der Marktüberwachung von Produkten, die nach ausländischen technischen Vorschriften hergestellt wurden, argumentierte die Kommission in der ersten Lesung, dass die vom Bundesrat vorgeschlagene Lösung ein Problem darstellt, wenn der Importeur nicht nachweisen kann, dass ein Produkt den EG-Vorschriften entspricht. Diese Regelung würde an die betroffenen Personen zu hohe Anforderungen stellen, zum Beispiel dann, wenn sie ein bestimmtes Dokument vom Hersteller nicht erhalten können. Deshalb hat die Kommission die Verwaltung damit beauftragt, ihr einen neuen Vorschlag zu unterbreiten, bei welchem bei der Marktüberwachung von der Vermutung ausgegangen wird, dass die Vorschriften eingehalten werden. Erst beim Verdacht, dass die technischen Vorschriften nicht erfüllt sind, sollen entsprechende Nachweise eingefordert werden können. In der zweiten Lesung ist die WAK-S nun doch einstimmig – mit einer kleinen Änderung – auf die Vorlage des Bundesrates eingeschwenkt. Für die Marktüberwachung eines Produktes, das nach ausländischen technischen Vorschriften in Verkehr gebracht wurde, ist demnach nachzuweisen, dass es den technischen Vorschriften der EG oder eines EG- oder EWR-Mitgliedstaates entspricht. Im Gegensatz zum Vorschlag des Bundesrates müssen die Vorschriften dabei nicht genau und vollständig benannt werden. Bezüglich der Bedenken der ersten Lesung liess sich die Kommission von der Verwaltung überzeugen, dass das Vorlegen einer Erklärung der verantwortlichen Person, d.h. einer Selbstdeklaration, wonach das Produkt den technischen Vorschriften der EG oder eines EG- oder EWR-Mitgliedstaates entspricht, in der Regel als Nachweis genügt. Diese Erklärung hat schriftlich zu erfolgen, ist aber an keine weiteren formalen Bedingungen gebunden. Sie kann in einem eigens dafür erstellten Dokument abgegeben werden, kann aber auch Bestandteil eines anderen Dokumentes sein, wie zum Beispiel einer Rechnung.

Die Kommission heisst die Revision des Bundesgesetzes über die technischen Handelshemmnisse in der Gesamtabstimmung mit 9 zu 0 Stimmen bei einer Enthaltung gut. Die Vorlage wird in der Frühlingssession im Ständerat behandelt.

2. Produktesicherheitsgesetz (08.055)
Die Kommission hat am 30. Januar eine erste Lesung dieser Vorlage vorgenommen, die in engem Zusammenhang mit dem Entwurf zur Revision des Bundesgesetzes über die technischen Handelshemmnisse (THG) steht und die das Bundesgesetz über die Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten (STEG) ersetzen soll. Sie stimmte den Bestimmungen der Vorlage insgesamt zu. In ihren Augen lässt sich damit gewährleisten, dass die in- und ausländischen Produkte das gleiche Sicherheitsniveau haben, wodurch das Vertrauen in die Sicherheit der Produkte gestärkt wird. Für die schweizerischen und ausländischen Hersteller werden somit auch die aufgrund unterschiedlicher Sicherheitsanforderungen bestehenden technischen Handelshemmnisse beseitigt.

In einer zweiten Lesung hat die WAK-S nun gewisse noch offene Punkte der Vorlage geprüft und dabei keine wesentlichen Änderungen beschlossen. In der Gesamtabstimmung nimmt die Kommission die Revision des Produktesicherheitsgesetzes einstimmig an. Das Geschäft wird in der Frühlingssession zusammen mit der Revision des THG behandelt.

3. Zweite Stufe der konjunkturellen Stabilisierungsmassnahmen (09.013)
Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates befasste sich mit der Botschaft des Bundesrates über die zweite Stufe der konjunkturellen Stabilisierungsmassnahmen (09.013). Mit dem Ziel, das vorgeschlagene Massnahmenpaket besser beurteilen zu können, hat die Kommission vor der Aufnahme der Detailberatung der verschiedenen Vorlagen folgende Personen angehört: Regierungsrat Kurt Zibung (SZ) (Vorstandsmitglied der Konferenz kantonaler Volkswirtschaftsdirektoren [VDK]), Prof. Dr. Gebhard Kirchgässner (Präsident der Kommission für Konjunkturfragen und Professor an der Universität St. Gallen) sowie Andres Frick von der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich.
Die Kommission ist überzeugt, dass das vorgeschlagene Massnahmenpaket sich positiv auf die Wirtschaftslage der Schweiz auswirken wird oder zumindest eine weitere Verschlechterung verhindern kann.

In der Folge befasste sich die WAK-S eingehend mit denjenigen Vorlagen, die Gesetzesänderungen erfordern (die Nachträge zum Voranschlag wurden bereits von der Finanzkommission geprüft).

Das Bundesgesetz über die befristete Ergänzung der Versicherungsleistungen der Schweizerischen Exportrisikoversicherung (Vorlage 4) wurde von der Kommission einstimmig angenommen.
Die schwierige Lage auf den Kreditmärkten hat zur Folge, dass die schweizerischen Exporteure bei der Finanzierung von Exportaufträgen und -krediten manchmal auf Schwierigkeiten stossen.
Die Kommission unterstützt die befristeten Massnahmen des Bundesrates, welche auf die Reduktion der Finanzierungskosten des Exporteurs und auf einen erleichterten Zugang zu Exportfinanzierungen abzielen. Diese Massnahmen umfassen
– die Erweiterung der Versicherung von Vertragsgarantien durch eine Bondgarantie;
– die Einführung einer Refinanzierungsgarantie;
– die Einführung einer Versicherung zur Vorfinanzierung der Herstellungskosten von Exporten.
Die Kommission unterstützt diese gemäss Vorschlag des Bundesrates auf Ende 2011 befristeten Massnahmen.

Ebenfalls im Rahmen der konjunkturellen Stabilisierungsmassnahmen befasste sich die Kommission mit der Revision des Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetzes (Vorlage 5 der Botschaft 09.013). Mit 11 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung stimmte sie einer neuen Bestimmung zu, wonach bei substanziellen energetischen Erneuerungen von Gebäuden mit einem Baualter von mehr als 20 Jahren ein Erlass möglich ist. Dieser Verzicht auf die Darlehensrückforderung fügt sich in die bereits bestehende Möglichkeit, Vorschüsse und Zinsen zu erlassen. Diese Massnahme ist bis 2012 befristet.
Die Massnahmen zur konjunkturellen Stabilisierung werden in der kommenden Frühjahrssession in beiden Räten gleichzeitig behandelt.

4. Mehr Effektivität und Effizienz bei den Steuerabzügen für energetische Gebäudesanierungen (09.3014)
Im Rahmen der Beratung zur Abschaffung der Dumont-Praxis und der Motion Leutenegger zum Steuerabzug werterhaltender Investitionen über mehrere Jahre (07.3385) hatte sich die Kommission im September 2008 mit dem bestehenden Steuerabzugsystem für energetische Gebäudesanierungen beschäftigt. Sie stellte fest, dass das bestehende Abzugsystem im Bereich der energetischen Investitionen wenig effizient und wenig effektiv ist. Steuerabzüge werden heute zu einem beträchtlichen Teil für die Kosten von Massnahmen gewährt, die gesetzlich vorgeschrieben sind oder auch sonst ausgeführt worden wären. Die Kommission hatte daher das eidgenössische Finanzdepartement beauftragt, einen Bericht über die Verbesserungsmöglichkeiten zu erstellen. Die Kommission hat den Bericht zur Kenntnis genommen und einstimmig beschlossen, eine Kommissionsmotion einzureichen, welche die Ausrichtung der Steuerabzüge an minimale Energiestandards fordert. Neu sollen Abzüge auf diejenigen Massnahmen beschränkt werden, die einen relevanten Zielbeitrag gewährleisten, über die gesetzlichen Vorschriften hinausgehen und in der Regel unwirtschaftlich sind. Somit wird ein zielgerichteter Anreiz zur Durchführung hochwertiger energetischer Massnahmen gesetzt. Die Revision der entsprechenden Verordnung soll per 1. Januar 2011 in Kraft gesetzt werden.
Die Kommission ist überzeugt, dass eine qualitative Ausrichtung der Abzüge für Investoren und Steuerverwaltung gleichermassen attraktiv ist: sie bringt mehr Transparenz und einen einfacheren Vollzug.

5. Entscheidung der FINMA zum Vergleich zwischen der UBS und den US-Behörden
Aufgrund der sich überstürzenden Ereignisse im Zusammenhang mit der aussergerichtlichen Einigung der UBS und der US-Behörden lud die Kommission den Verwaltungsratspräsidenten der FINMA Eugen Haltiner zu einer Aussprache ein. Die WAK-S nahm Kenntnis von seinen Ausführungen über den Hintergrund der heutigen Situation sowie über die Möglichkeiten, den Finanzplatz Schweiz auch in Zeiten des Wandels attraktiv zu halten.

Die Kommission hat unter dem Vorsitz von Ständerätin Simonetta Sommaruga (SP, BE) und teilweise im Beisein von Bundespräsident Hans-Rudolf Merz und Bundesrätin Doris Leuthard am 23. Februar 2009 in Bern getagt.

Bern, 24. Februar 2009, Parlamentsdienste

Quelle: Die Bundesversammlung – Das Schweizer Parlament

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