RK-S: Kommission berät fünf Immunitätsfälle

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08.052 n Immunität von Nationalrat Toni Brunner

Der Nationalrat sprach sich zweimal für die Aufhebung der Immunität von Nationalrat Brunner aus. Da die RK-S der Ansicht ist, die Zweitberatung im Erstrat habe keine neuen Erkenntnisse gebracht, beantragt sie dem Ständerat mit 6 zu 3 Stimmen bei 2 Enthaltungen, die Immunität nicht aufzuheben und somit an seinem Beschluss der Wintersession festzuhalten. Folgt der Ständerat dem Antrag seiner Kommission, so wird die Immunität von Nationalrat Brunner nicht aufgehoben und das Geschäft gilt gemäss der Differenzregelung für besondere Fälle (Art. 95 Bst. i ParlG) als erledigt.

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates reichte im Herbst 2007 Strafanzeige ein wegen Indiskretionen aus der Sitzung einer Subkommission, die mit der Überprüfung der Funktion der Strafverfolgungsbehörden des Bundes beauftragt war. Der ausserordentliche Staatsanwalt des Bundes, der vom Bundesrat zur Abklärung dieser Vorkommnisse ernannt worden war, ersuchte die eidgenössischen Räte am 6. Mai 2008, zu prüfen, ob die parlamentarische Immunität von Nationalrat Brunner aufgehoben werden soll (siehe Art. 17 ParlG). Gemäss dem Staatsanwalt könnte Nationalrat Brunner dem Generalsekretär des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) vertrauliche Informationen und Dokumente weitergegeben haben, von denen er als Mitglied der Subkommission Kenntnis hatte. So soll er ihm namentlich das Original oder eine Kopie des Entwurfs eines vertraulichen Berichts mehrere Tage vor dessen offizieller Zustellung zur Stellungnahme an das EJPD ausgehändigt haben. Damit könnte sich Nationalrat Brunner der Verletzung des Amtsgeheimnisses schuldig gemacht haben (siehe Art. 320 des Strafgesetzbuches [SR 311.0] in Verbindung mit Art. 47 ParlG).

08.067 n Immunität von Nationalrat Christoph Mörgeli

Die Kommission nahm zudem Stellung zu einem Gesuch der Bundesanwaltschaft um Aufhebung der Immunität von Nationalrat Mörgeli und Ermächtigung zur Strafverfolgung wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses (Art. 320 StGB sowie Art. 8 und 47 ParlG). In der Strafuntersuchung gegen Nationalrat Mörgeli geht es um die Zuspielung eines Protokollauszugs der Sitzung vom 1. Februar 2008 der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur an die Presse. Nationalrat Mörgeli leitete der Presse zunächst seine Handnotizen weiter, die er gemacht hatte, als ihm die Tonaufnahmen von der Sitzung vom 1. Februar 2008 in den Räumlichkeiten der Parlamentsdienste abgespielt wurden. Danach händigte er der Presse an einer von ihm organisierten Medienkonferenz CD-ROMs mit einer Kopie der Tonaufnahmen der Kommissionssitzung aus.
Die Kommission ist auf das Gesuch eingetreten, weil der Sachverhalt in Zusammenhang mit der amtlichen Stellung oder Tätigkeit von Nationalrat Mörgeli steht. Sie folgte dem Beschluss des Nationalrates und beantragt dem Ständerat ohne Gegenstimme, die parlamentarische Immunität von Nationalrat Mörgeli nicht aufzuheben. Sie hält die Eröffnung eines Strafverfahrens nicht für verhältnismässig.

09.010 n Immunität von Nationalrätin Lucrezia Meier-Schatz und alt Nationalrat Jean-Paul Glasson

Die Kommission kam mit 6 zu 4 Stimmen zum Schluss, dass die Aussagen von Nationalrätin Meier-Schatz und alt Nationalrat Glasson an der Medienkonferenz der nationalrätlichen Geschäftsprüfungskommission vom 5. September 2007 nicht in den Geltungsbereich der so genannten absoluten Immunität (Art. 16 ParlG; «Äusserungen in den Räten und in deren Organen») fallen. Eine Minderheit ist hingegen wie der Nationalrat der Auffassung, dass die nach einer Kommissionssitzung in deren Auftrag erfolgte Information der Medien und der Öffentlichkeit gleich behandelt werden muss wie Äusserungen während einer Kommissionssitzung. Mit 10 zu 0 Stimmen bei 1 Enthaltung beantragt die Kommission ihrem Rat, die Immunität der beiden Ratsmitglieder nicht aufzuheben; die Kommission kam in zwei getrennten Abstimmungen zum jeweils gleichen Ergebnis.

Am 4. September 2008 reichten Christoph Blocher und Christoph Mörgeli beim Bundesanwalt Strafanzeige gegen Nationalrätin Meier-Schatz, alt Nationalrat Glasson und drei Mitarbeiter der Bundesanwaltschaft ein. Am 26. September 2008 ernannte der Bundesrat den Ersten Staatsanwalt des Kantons Basel-Stadt, Thomas Hug, zum ausserordentlichen Staatsanwalt des Bundes und beauftragte ihn, die in der Strafanzeige erhobenen Vorwürfe der Amtgeheimnisverletzung (Art. 320 StGB), der Nötigung (Art. 22 und 181 StGB) und der rechtswidrigen Vereinigung zur Beeinträchtigung der verfassungsmässigen Ordnung (Art. 275 und 275ter StGB) zu untersuchen. Am 21. November 2008 reichte der ausserordentliche Staatsanwalt des Bundes bei der Bundesversammlung ein Gesuch um Aufhebung der parlamentarischen Immunität von Lucretia Meier-Schatz und Jean-Paul Glasson ein.

09.034 s Immunität von Bundesrätin Micheline Calmy-Rey

Die Kommission befasste sich im Zusammenhang mit einer Strafanzeige an die Bundesanwaltschaft auch mit der Immunität von Bundesrätin Micheline Calmy-Rey. Die Bundesanwaltschaft leitet die Anzeigen gegen Bundesratsmitglieder an das Parlament weiter, ohne vorgängig deren Strafrechtsrelevanz abzuklären. Die Anzeigeerstatter werfen der Vorsteherin des EDA die Art und Weise vor, wie sie im Vorfeld der Abstimmung vom 8. Februar 2009 über die Weiterführung der Personenfreizügigkeit und deren Ausdehnung auf Bulgarien und Rumänien die Öffentlichkeit informiert hat. Sie verweisen auf einen Satz, den Bundesrätin Calmy-Rey in einem Interview sagte, das im «Thurgauer Tagblatt Unterrheintal» vom 9. Januar 2009 veröffentlicht wurde («Für uns ist die EU der wichtigste Wirtschaftspartner, was sich umgekehrt nicht sagen lässt. Wir hätten viel mehr zu verlieren, und die Unsicherheit bei einem Nein wäre für unsere Wirtschaft Gift.»), sowie auf eine Antwort, die sie am 19. Januar 2009 im „Blick-Chat“ auf dem Internet gegeben hat («Wenn das Volk nein sagt, dann würde die Schweiz die Personenfreizügigkeit kündigen – und nicht die EU. Mehr noch – sechs Monate später würden auch die übrigen Bilateralen I wegfallen – automatisch. Der Entscheid des Volkes gilt.»). Die Anzeigeerstatter erblicken darin einen Versuch, die Stimmberechtigten mit der Androhung von ernstlichen Nachteilen zu nötigen, der Abstimmungsvorlage zuzustimmen, was einen Eingriff in das Stimm- und Wahlrecht (Art. 280 StGB) darstelle. Die Kommission beantragt dem Ständerat ohne Gegenstimme, die Immunität von Bundesrätin Calmy-Rey nicht aufzuheben. Nach ihrem Dafürhalten hat die Vorsteherin des EDA keine unerlaubte Handlung begangen, indem sie über die Auswirkungen eines negativen Abstimmungsausgangs informierte. Gemäss Artikel 10a des Bundesgesetzes über die politischen Rechte informiert der Bundesrat die Stimmberechtigten über die Abstimmungsvorlagen; dabei beachtet er die Grundsätze der Vollständigkeit, der Sachlichkeit , der Transparenz und der Verhältnismässigkeit, legt die wichtigsten im parlamentarischen Entscheidungsprozess vertretenen Positionen dar und vertritt keine von der Haltung der Bundesversammlung abweichende Abstimmungsempfehlung. Die Kommission ist der Auffassung, dass die beiden erwähnten Sätze keine Straftat im Sinne von Artikel 280 StGB darstellen.

09.035 s Immunität von jetzigen und ehemaligen Mitgliedern des Bundesrates

Eine Privatperson reichte gegen die jetzigen und ehemaligen Mitglieder des Bundesrates, die den Entscheid der Aktenvernichtung im Fall Tinner mitgetragen haben, Strafanzeige ein.
Die Kommission hat ohne Gegenstimme beschlossen, dem Ständerat zu beantragen, die Immunität der betroffenen Bundesratsmitglieder nicht aufzuheben. Sie nahm Kenntnis von den Einwänden im Bericht vom 19. Januar 2009 der Geschäftsprüfungsdelegation. Die Beschlüsse des Bundesrates mögen zwar zum Teil Anlass zu Kritik geben, doch bezweifelt die Kommission, dass diese Beschlüsse den Tatbestand eines Amtsmissbrauchs bzw. einer ungetreuen Amtsführung erfüllen (Art. 312 und 314 StGB), wie der Strafanzeigeerstatter vermutet. Ausserdem kommt die Kommission zum Schluss, dass trotz des allfälligen strafrechtlichen Charakters dieser Angelegenheit das Interesse an der ungehinderten Amtsausübung des Bundesrates höher zu gewichten ist als jenes einer Strafverfolgung, da der Schaden eines solchen Verfahrens absolut unverhältnismässig wäre.

Die Kommission tagt heute und morgen (6. und 7. Februar 2009) unter dem Vorsitz von Ständerat Janiak (S, BL) in Bern. Über die weiteren Beratungsgegenstände wird sie später informieren.

Bern, 6. April 2009 Parlamentsdienste

Quelle: News Service des Schweizer Parlaments

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