Die Zahlungsbilanz der Schweiz im Jahr 2008

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Die Finanzkrise hinterliess in der Zahlungsbilanz der Schweiz deutliche Spuren. Sie beeinflusste insbesondere die Erträge aus Direktinvestitionen im Ausland markant, welche massiv zurückgingen. Hauptgrund waren die grossen Verluste der ausländischen Tochtergesellschaften der Banken. Sie fielen so massiv aus, dass sowohl bei den Kapitalerträgen aus Direktinvestitionen, als auch bei den Kapitalerträgen insgesamt die Einnahmen tiefer waren als die Ausgaben. Damit war der Saldo der Kapitalerträge erstmals seit Bestehen der Ertragsbilanzstatistik (1947) negativ. Dies führte zu einem markanten Rückgang des Überschusses der Ertragsbilanz von 52 Mrd. auf 13 Mrd. Franken. Im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt betrug er 2% (Vorjahr 10%) und lag damit auf dem tiefsten Niveau seit Anfang der 80er Jahre. Ohne Berücksichtigung der Verluste der Banken wäre der Ertragsbilanzüberschuss etwa gleich hoch ausgefallen wie im Vorjahr.

Im Kapitalverkehr zeigten sich die Massnahmen zur Bewältigung der Finanzkrise vor allem in einem massiven Abbau der Forderungen und Verpflichtungen der Banken gegenüber Banken im Ausland. Zur Bewältigung der Probleme an den internationalen Geldmärkten stellte die Nationalbank auch den Zentralbanken und Banken im Ausland zusätzliche Liquidität zur Verfügung. Dadurch stiegen die Kapitalexporte der Nationalbank stark an. Die schweizerischen Grossbanken mussten zur Stärkung ihrer Kapitalbasis Anleihen und Aktien emittieren, was zu höheren Zuflüssen bei den Portfolioinvestitionen in der Schweiz und den sonstigen Investitionen führte. Die Portfolioinvestitionen im Ausland wurden durch Transaktionen zur Stärkung des schweizerischen Finanzsystems wesentlich beeinflusst. So übernahm die Zweckgesellschaft der Nationalbank noch 2008 eine erste Tranche illiquider Vermögenswerte der UBS. Der Bund erwarb überdies eine Pflichtwandelanleihe der UBS. Da die illiquiden Vermögenswerte der UBS von Tochtergesellschaften im Ausland gehalten wurden und die Emission der Pflichtwandelanleihe im Ausland erfolgte, wurden diese Transaktionen bei den Portfolioinvestitionen im Ausland erfasst.

Ertragsbilanz
Die Erträge auf den Kapitalanlagen in der Schweiz (Ausgaben) übertrafen die Erträge auf den Anlagen im Ausland (Einnahmen) um 25 Mrd. Franken. Grund für diese erstmalige und ausserordentliche Entwicklung waren die Verluste der Banken in den Tochtergesellschaften im Ausland. Diese drückten die Einnahmen aus Direktinvestitionen im Ausland massiv nach unten; sie sanken von 60 Mrd. auf 8 Mrd. Franken. Auch die Erträge auf Direktinvestitionen in der Schweiz (Ausgaben) gingen zurück, allerdings lediglich um 9 Mrd. auf 44 Mrd. Franken. Dadurch resultierte bei den Erträgen aus Direktinvestitionen ein Ausgabenüberschuss von 37 Mrd. Franken. Tiefere Zinssätze und tiefere Kapitalbestände prägten die Erträge aus Portfolioinvestitionen und das Zinsgeschäft der Banken (übrige Anlagen). Bei den Portfolioanlagen gingen die Nettoerträge zurück.

In den Daten zur Realwirtschaft schlug sich die Finanzkrise erst gegen Ende Jahr nieder. Der Warenhandel (Spezialhandel) entwickelte sich in den ersten drei Quartalen noch robust, im vierten Quartal sanken dann sowohl die Exporte als auch die Importe. Über das ganze Jahr gesehen erhöhten sich die Einnahmen aus dem Warenhandel um 5%, die Ausgaben für Warenimporte um 2%. Da die Exporte stärker zunahmen als die Importe, stieg der Überschuss der Handelsbilanz um 5 Mrd. auf 19 Mrd. Franken. Ein Überschuss in dieser Höhe war im Warenhandel noch nie erzielt worden. Auch die Einnahmen aus dem Dienstleistungshandel legten zu (+7%). Besonders kräftig wuchsen dabei die Einnahmen aus dem Transithandel (+35%). Im Fremdenverkehr waren ebenfalls höhere Einnahmen zu verzeichnen. Dagegen nahmen die Einnahmen der Banken aus Finanzdiensten vor allem aufgrund rückläufiger Erträge im Vermögensverwaltungsgeschäft deutlich ab. Hier zeigten sich die tiefere Bewertung der Aktien und der Rückgang der Wertschriftentransaktionen. Die Ausgaben für Dienste aus dem Ausland nahmen um 3% zu. Dies war hauptsächlich auf höhere Zahlungen für Lizenz- und Patentgebühren zurückzuführen. Die Ausgaben für Auslandreisen (Fremdenverkehr) gingen leicht zurück. Der Überschuss im Dienstleistungshandel stieg um 5 Mrd. auf 50 Mrd. Franken, was ebenfalls einen Höchstwert darstellt. Trotz dieser rekordhohen Überschüsse bei Waren und Diensten sank der Überschuss der Ertragsbilanz infolge des erwähnten, massiven Rückgangs der Direktinvestitionserträge von 52 Mrd. auf 13 Mrd. Franken.

Kapitalverkehr
Die Direktinvestitionen im Ausland (Kapitalexporte) verminderten sich von 73 Mrd. auf 48 Mrd. Franken. Dieser Rückgang war vor allem auf die tieferen Investitionen der Finanzund Holdinggesellschaften zurückzuführen; diese gingen von 26 Mrd. auf 9 Mrd. Franken zurück. Schwergewichtig wurde in den Vereinigten Staaten und in den Offshore Finanzzentren Europas investiert. Aus Asien wurden beträchtliche Mittel abgezogen. Bei den ausländischen Direktinvestitionen in der Schweiz übertrafen die Mittelrückzüge die Neuinvestitionen um 2 Mrd. Franken. Vor allem Investoren aus der EU (EU27) zogen in grossem Umfang Mittel ab.
Bei den Portfolioinvestitionen kauften die schweizerischen Investoren netto für 71 Mrd. Franken Wertpapiere ausländischer Emittenten; der grösste Teil floss in Anleihen und Notes. Darin enthalten war zum einen die Übernahme der ersten Tranche der im Ausland gehaltenen illiquiden Vermögenswerte der UBS durch die Zweckgesellschaft der Nationalbank. Zum anderen die Übernahme der im Ausland emittierten Pflichtwandelanleihe der UBS durch den Bund. Diese beiden Transaktionen machten einen Drittel der Investitionen in Anleihen und Notes aus. Bei den Dividendenpapieren wurden Aktien in grösserem Umfang gekauft, während Anteile an Kollektivanlagen verkauft wurden. Die ausländischen Anleger investierten netto 33 Mrd. Franken in Wertpapiere inländischer Emittenten. Dabei erwarben sie vor allem Aktien und Anteile an Kollektivanlagen. Ein Teil der Investitionen in Aktien stand in Zusammenhang mit den Kapitalerhöhungen der schweizerischen Grossbanken.

Die Banken bauten als Folge der Finanzkrise ihre Interbankguthaben massiv ab: sie reduzierten ihre Forderungen gegenüber Banken im Ausland um 337 Mrd. und ihre Verpflichtungen um 346 Mrd. Franken. Die Probleme auf dem Interbankenmarkt führten dazu, dass die Nationalbank die Geldmärkte in grossem Umfang mit Liquidität versorgen musste. Dazu schloss sie Repo- und Swapgeschäfte auch mit ausländischen Zentralbanken und Banken ab. Während im Kapitalverkehr der Banken netto ein Kapitalimport von 63 Mrd. Franken resultierte, ergab sich im Kapitalverkehr der Nationalbank netto ein Kapitalexport von 35 Mrd. Franken (übrige Investitionen).
Bei den sonstigen Investitionen resultierten Nettokapitalimporte von 38 Mrd. Franken, verglichen mit Nettokapitalexporten von 10 Mrd. Franken im Vorjahr. Die Zuflüsse waren 2008 zum einen auf die Auflösung von im Ausland angelegten Treuhandgeldern zurückzuführen, zum anderen auf Kapitalimporte der Grossbanken zur Stärkung ihrer Kapitalbasis.
Die Nationalbank verkaufte 105 Tonnen Gold an den privaten Sektor und schloss damit den Verkauf der insgesamt 250 Tonnen Gold im Rahmen des zweiten internationalen Goldabkommens vom März 2004 ab. Sie legte den Erlös von 3 Mrd. Franken in Wertpapieren an.

Quelle: Schweizerische Nationalbank

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