Die wirtschaftliche Lage hat sich seit Dezember 2008 deutlich verschlechtert, und für die drei nächsten Jahre besteht das Risiko einer negativen Inflation. Diese Umstände erfordern eine kräftige Lockerung der monetären Bedingungen. Die Schweizerische Nationalbank hat deshalb beschlossen, einen erneuten Rückgang der Zinssätze herbeizuführen und eine weitere Aufwertung des Frankens gegenüber dem Euro zu verhindern. Zu diesem Zweck wird sie die Liquidität stark erhöhen, indem sie zusätzliche Repo-Geschäfte abschliesst, Schweizerfranken-Obligationen privater Schuldner erwirbt und Devisenkäufe auf dem Markt tätigt.
Die Nationalbank senkt das Zielband für den Dreimonats-Libor mit sofortiger Wirkung um 0,25 Prozentpunkte auf 0%–0,75%. Sie setzt alles daran, um den Libor allmählich in den unteren Bereich des neuen Zielbands auf etwa 0,25% zu führen. Die Breite des Libor- Zielbands verringert sich damit von 100 auf 75 Basispunkte.
Mit diesen aussergewöhnlichen Massnahmen trägt die Nationalbank dazu bei, die Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise zu mildern und schränkt das Risiko einer Deflation ein. Die Nationalbank hat den Auftrag, die Preisstabilität zu gewährleisten und dabei der konjunkturellen Lage Rechnung zu tragen. Dies bedeutet, dass sowohl Deflation wie Inflation vermieden werden sollen. Bei der Erfüllung dieser Aufgabe wird sich die Nationalbank wie bisher auf eine Inflationsprognose stützen.
Im vierten Quartal 2008 hat sich die Konjunktur in allen Teilen der Welt gleichzeitig und markant verlangsamt, und alles deutet darauf hin, dass sich diese Entwicklung in den vergangenen zwei Monaten fortgesetzt hat. Die Verschlechterung trifft die Schweizer Wirtschaft mit voller Wucht. Praktisch alle Sektoren sind betroffen, ganz besonders aber die Exportindustrie. Die Nationalbank reduziert deshalb ihre BIP-Wachstumsprognose für das laufende Jahr. Sie geht nun von einem Rückgang des realen BIP von 2,5% bis 3% aus. Die rasche Verschlechterung der Konjunkturlage und die sinkenden Rohstoffpreise haben auch bei der Inflationsprognose zu einer deutlichen Revision nach unten geführt. Die durchschnittliche Teuerung wird im Jahr 2009 bei –0,5% liegen. Mit den heute getroffenen Massnahmen geht die Nationalbank für 2010 und 2011 von einer durchschnittlichen Jahresteuerung nahe bei Null aus.
Diese Teuerungsaussichten verlangen nach einem dezidierten Handeln der Nationalbank. Mit der erneuten Senkung des Zielbands für den Dreimonats-Libor und der Verhinderung einer weiteren Aufwertung des Frankens gegenüber dem Euro will die Nationalbank dem Risiko einer Deflation und einer massiven Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage entgegentreten.
Internationale Wirtschaftsaussichten
In den USA hat sich die Wirtschaftsaktivität stark zurückgebildet, und der Konsum sowie die Exporte sind gesunken. Auch in Europa war ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen. Die Länder Asiens haben sich dieser Entwicklung nicht entziehen können und sind ebenfalls stark betroffen. Die Krise, die von den Finanzmärkten der bedeutendsten Volkswirtschaften ausging und sich dann auf die Realwirtschaft übertrug, hat nun die gesamte Weltwirtschaft erfasst. Deshalb hat die Nationalbank ihre Wachstumsprognosen für die grossen Volkswirtschaften für das laufende Jahr deutlich nach unten korrigiert.
Wirtschaftsaussichten für die Schweiz
Die Konjunkturlage hat sich auch in der Schweiz in den letzten sechs Monaten sehr deutlich und rasch verschlechtert. Im vierten Quartal 2008 ist das reale BIP auf annualisierter Basis um 1,2% gesunken. Zwar scheint der Rückgang in der Schweiz weniger ausgeprägt als in den grossen europäischen Ländern, doch zeigt diese Zahl nicht, wie stark die internationale Nachfrage, insbesondere in der verarbeitenden Industrie, eingebrochen ist und in der Folge die Exporte zurückgegangen sind. Die Firmen haben ihre Ausrüstungsausgaben spürbar reduziert. Die Bauinvestitionen haben sich ebenfalls negativ entwickelt. Die Endnachfrage bildete sich somit deutlich zurück.
Das Ausmass des Nachfragerückgangs im vierten Quartal 2008 war unerwartet. Die in der Folge entstandene unbeabsichtigte Erhöhung der Lager hat künstlich zum BIP-Wachstum beigetragen. Eine Wende dürfte im ersten Quartal dieses Jahres eintreten, und die Nationalbank geht folglich von einer Verstärkung des BIP-Rückgangs im ersten Halbjahr 2009 aus.
Die Zahl der Arbeitslosen steigt seit September wieder. Diese Entwicklung wird in den kommenden Monaten andauern. Die dadurch entstehende Unsicherheit wird das Verhalten der privaten Haushalte beeinflussen und die Konsumausgaben abflachen lassen. Darüber hinaus dürfte die schwache globale Nachfrage die Schweizer Exporte weiterhin belasten und die Unternehmen dazu bringen, ihre Investitionspläne zu verschieben oder zu überdenken. Demgegenüber dürften die günstigen Finanzierungsbedingungen die Wohnbauinvestitionen weiterhin stützen. Zudem werden die Staatsausgaben antizyklisch wirken. Aufgrund der Verstärkung der weltweiten Rezession rechnet die Nationalbank nun für das laufende Jahr mit einem BIP-Rückgang, der zwischen 2,5% und 3% liegen dürfte.
Entwicklung der monetären und finanziellen Rahmenbedingungen
Die Schweizerische Nationalbank hat das Zielband für den Dreimonats-Libor im vierten Quartal 2008 kräftig gesenkt, und zwar um insgesamt 225 Basispunkte. Dieser geldpolitische Impuls wird sich weiterhin und zunehmend auf die Wirtschaft auswirken. Die kurzfristigen Zinssätze sind zurückgegangen und die Zinskurve ist steiler geworden. Die Risikoprämien an den Kapitalmärkten sind jedoch seit dem Konkurs der Bank Lehman Brothers deutlich gestiegen, was die Übertragung der geldpolitischen Impulse beeinträchtigt. Dies veranlasst die Nationalbank dazu, Schweizerfranken-Obligationen privater Schuldner zu erwerben und so eine Lockerung der Konditionen auf dem Kapitalmarkt herbeizuführen.
Der Wert des Frankens hat sich seit Ausbruch der Krise im August 2007 spürbar erhöht. Dieser Trend hat sich seit der Lagebeurteilung vom Dezember 2008 verstärkt, was einer Straffung der monetären Bedingungen entspricht, die in der gegenwärtigen Lage unwillkommen ist. Die Nationalbank hat deshalb beschlossen, am Markt Devisen zu kaufen, um eine weitere Aufwertung des Frankens gegenüber dem Euro zu verhindern.
Die Geldaggregate M1 und M2 verzeichnen hohe Wachstumsraten. Das Wachstum der Geldmenge M3 bleibt moderat. Die Notenbankgeldmenge hingegen hat sich in einem Jahr beinahe verdoppelt. Diese Entwicklung widerspiegelt die Bemühungen der Nationalbank, den Interbankenmarkt ausreichend mit Liquidität zu versorgen. Die Nationalbank hat damit auf die enorme Zunahme der Liquiditätsnachfrage der Wirtschaft reagiert, welche in einem Klima der Unsicherheit entstanden ist. Hätte sie diese Zusatznachfrage nicht befriedigt, wäre ein unerwünschter Anstieg der Zinssätze die Folge gewesen.
Seit Anfang 2008 führt die Nationalbank quartalsweise eine qualitative Umfrage bei zwanzig Banken durch, die zusammen einen Grossteil des inländischen Kreditmarktes abdecken. Aus der Umfrage vom Januar 2009 geht hervor, dass einige Banken die Kreditbedingungen leicht verschärft haben. Zudem hat die Zahl der Banken zugenommen, die von einer baldigen Verschärfung ihrer eigenen Kreditbedingungen ausgehen. In quantitativer Hinsicht bestätigen die Statistiken, dass sich das Wachstum des gesamten Kreditvolumens abflacht. Ein Rückgang lässt sich jedoch aus den Statistiken nicht ablesen. Die Hypothekarkredite sind von dieser Entwicklung nicht betroffen. Sie verzeichnen seit November 2008 eine steigende Wachstumsrate, die im Januar bei 3,8% lag. Zum jetzigen Zeitpunkt kann noch nicht gesagt werden, ob es sich um eine Folge der Senkung des Libors handelt, wie sie in der Vergangenheit beobachtet worden war. Bei den übrigen Krediten hingegen sind die Wachstumsraten stark zurückgegangen. Das Wachstum hat im Januar 5,8% betragen, während es ein Jahr zuvor noch über 20% gelegen hatte. Die Kategorie der übrigen Kredite verhält sich ausgeprägt zyklisch und widerspiegelt die Konjunkturentwicklung. Die übrigen Kredite dürften deshalb in naher Zukunft schrumpfen. Insgesamt ist die Entwicklung am Kreditmarkt nicht mit derjenigen im Ausland vergleichbar.
Inflation und Inflationsrisiko
Nachdem die Inflation im Juli 2008 einen Höchstwert von 3,1% verzeichnet hatte, ist sie bis Februar auf 0,2% zurückgefallen. Diese Entwicklung erklärt sich daraus, dass in der gleichen Zeit der Erdölpreis markant von 145 US-Dollar auf 40 US-Dollar pro Fass gesunken ist und sich der Franken aufgewertet hat. Die Inflation wird weiter nachgeben und im Verlauf des Jahres 2009 eine negative Rate aufweisen, denn die Preise der importierten Waren und Dienstleistungen, namentlich jene des Erdöls, werden dieses Jahr im Vergleich zum Vorjahr niedriger sein. Bei den inländischen Waren und Dienstleistungen hingegen wird die Teuerung zwar im Laufe des Jahres zurückgehen, 2009 aber im positiven Bereich bleiben.
In den Jahren 2010 und 2011 wird die Inflation nahe bei Null liegen, weil sich die Produktion unter ihrem Potenzial entwickeln und die Arbeitslosenquote auf hohem Niveau verharren wird. Sollte sich die Konjunkturlage deutlicher verschlechtern als erwartet, besteht das Risiko einer negativen Inflation.
Der geldpolitische Entscheid
Eine dauerhaft negative Inflationsrate ist mit dem Ziel, die Preisstabilität auf mittlere Frist aufrecht zu erhalten, nicht vereinbar. Im gegenwärtigen belasteten Umfeld ist jegliche Straffung der monetären Rahmenbedingungen unwillkommen. Indem die Nationalbank das Zielband für den Dreimonats-Libor auf 0%–0,75% senkt und den Libor allmählich in den unteren Bereich dieses Zielbands auf etwa 0,25% zurückführt, und indem sie eine weitere Aufwertung des Frankens gegenüber dem Euro verhindert, setzt sie ihre expansive Geldpolitik fort. Sie stützt damit die Konjunktur und schränkt das Risiko einer Deflation ein. Die vorübergehende Verengung des Libor-Zielbands, das nun 75 Basispunkte beträgt anstelle von 100 Basispunkten, ist durch die Tatsache bedingt, dass ein negativer Liborsatz technisch unmöglich ist.
Grafik der Inflationsprognose
Die neue Inflationsprognose (rot-gestrichelte Linie) reicht vom ersten Quartal 2009 bis zum vierten Quartal 2011. Während die vorhergehende Prognose (strichpunktierte grüne Linie) auf der Annahme eines konstanten Dreimonats-Libors von 0,5% beruhte, wird für die neue Prognose von einem bei 0,25% liegenden Zinssatz ausgegangen. Die Inflationsrate ist im Jahr 2009 deutlich negativ, was sich hauptsächlich aus der Ölpreisentwicklung (Basiseffekt) erklärt. In den Jahren 2010 und 2011 bleibt die Inflation schwach, trotz eines bei 0,25% liegenden Libors. Der Grund dafür liegt in der ungünstigen Konjunkturentwicklung. Die Teuerung zieht Ende 2011 leicht an. Dieser schwache Anstieg erklärt sich damit, dass ein über mehrere Jahre bei 0,25% liegender Libor nicht einem Gleichgewichtsniveau entspricht, das langfristig Preisstabilität gewährleistet.
Quelle: Schweizerische Nationalbank