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Eine Vision für den Euro

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Der ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt sagte einmal scherzhaft über Visionen: „Wer Visionen hat, soll zum Psychiater“. Natürlich wusste er, dass es Situation gibt, in denen man eine Vorstellung über eine zukünftige Entwicklung haben muss. Wäre dies nicht der Fall, könnten in der Politik keine langfristigen Projekte angepackt werden. Zweifelsfrei war der Euro ein solches visionäres Projekt. Seine Ursprünge gehen zwar noch einiges weiter zurück, aber spätestens mit dem sogenannten „Delors-Bericht“ vom April 1989 wurde ein Konzept vorgestellt, wie in Europa eine Währungsunion, an deren Ende eine Einheitswährung stehen soll, zu realisieren sei. Dass es für eine Währungsunion aber mehr als nur ein gemeinsames Papiergeld braucht, war auch bei der Lancierung des Euro den meisten Beteiligten klar. Die Hoffnung lag einfach auf der Kraft des Faktischen, dass der Start glücken würde und sich alles weitere schon irgendwie von allein ergeben würde. Aus heutiger Sicht muss man feststellen, dass der Start des Euro leider zu reibungslos funktionierte. Deshalb etablierte sich während 10 Jahren eine Scheinsicherheit, und es entstand der Eindruck, dass die damaligen Euro-Kritiker, welche auf die Mängel der Euro-Konstruktion hinwiesen, lediglich dessen historische Dimension nicht verstünden. Es ging somit wertvolle Zeit verloren, den eingeschlagenen Weg konsequent zu Ende zu führen. Um ein Bild zu gebrauchen: Bei schönem Wetter und trockener Strasse fuhr man mit dem Cabriolet los, nutzte aber unterwegs die Zeit nicht, für den Fall eines Wetterumschwungs Winterreifen und ein regendichtes Dach zu besorgen. Nun hat bekanntlich das Wetter umgeschlagen, die Strasse ist rutschig geworden und der Wagen ist von der Fahrbahn geraten. Das ist zwar bedauerlich, war aber letztlich nur eine Frage der Zeit. Das Erstaunliche ist jedoch, dass die Verantwortlichen der Euro-Zone sich bisher ausschliesslich darauf konzentrieren, den Wagen wieder flott zu machen und offensichtlich noch immer auf kein wintertaugliches Fahrzeug umrüsten. So ist das kürzlich bekanntgegebene Nachfolgevehikel des aktuellen EU-Rettungsschirm, der „European Stability Mechanism“ (ESM), welcher die Beteilung von Privaten an allfälligen zukünftigen Ausfällen postuliert, wohl mehr ein Zeichen an die deutschen Steuerzahler, und weniger ein grosser visionärer Wurf. Vielmehr müsste dafür gesorgt werden, dass es überhaupt nicht mehr zu Staatsbankrotten in der Eurozone kommt. Das Ambitionsniveau eines Euro, welches den zweitgrössten Wirtschaftsraum der Welt repräsentiert, muss doch das einer Ankerwährung sein. Wie man das erreicht? Drei Schritte sind nötig.

  1. Schaffung einer glaubwürdigen europäischen Fiskalbehörde, was letztlich einer Fiskalunion gleichkommt.
  2. Ergänzung der bisherigen Maastricht-Kriterien durch länderspezifische Kriterien, denn Spanien und Irland haben gezeigt, dass auch Staaten mit gesunden Staatsfinanzen in Schwierigkeiten geraten können.
  3. Um im Fall einer Eskalation der aktuellen Krise nicht das gesamte Europrojekt zu gefährden, sollte die Schaffung eines vorübergehenden „Dirty Floatings“ geprüft werden. Das bedeutet Einführung nationaler
    Währungen für Krisenländer, welche innerhalb einer Bandbreite zum Euro schwanken.

Vielleicht liegt in der Krise doch noch die Chance, das Versäumte nachzuholen und die Vision der „Vereinigten Staaten von Europa“ zu realisieren. Der Euro steht zweifelsfrei an einem Scheideweg.

Quelle: Vontobel

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