Das Jahr 2011 im Spannungsfeld von Stimulierung und wachsenden Staatsschulden

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Wir blicken auf ein wiederum turbulentes Anlagejahr zurück. Was Aktieninvestoren inzwischen mit einer gewissen Selbstverständlichkeit zur Kenntnis nehmen, nämlich hohe Wertschwankungen, ist für Obligationäre eine neuere Erfahrung. Zum Jahresbeginn 2010 waren sich die meisten Marktbeobachter einig: Die wachsenden Staatsschulden sowie eine bevorstehende Inflation – vereinzelt war von «Hyperinflation» die Rede – würden zu Kursverlusten an den Kapitalmärkten und damit zu höheren Zinsen führen. Es kam jedoch anders – zumindest für die wichtigsten Länder wie die USA, Deutschland, England oder die Schweiz. Deren Zinsen auf Staatsobligationen erreichten im Oktober 2010 teilweise historische Tiefststände, um dann bis zum Jahresende wieder leicht anzusteigen. Nebst den tiefen Inflationsraten war die Ankündigung der US-Notenbank, Staatsanleihen im Umfang von USD 600 Milliarden zu kaufen, für die tiefen Zinsen mitverantwortlich.

Im Mai eskalierte die Euro-Krise wegen der drohenden Zahlungsunfähigkeit Griechenlands, was zu einer Flucht in die Qualität und damit zu fallenden Zinsen in Deutschland und der Schweiz führte. Ein dringend benötigtes Rettungspaket liess (zu) lange auf sich warten, sodass die Zinsen der peripheren Länder Europas in der Zwischenzeit ungebremst anstiegen. Im November 2010 geriet Irland – und in abgeschwächter Form auch Portugal und Spanien – ins Visier der Märkte. Überraschend an Irland und Spanien war, dass beide Länder ihren Staatshaushalt mustergültig in Ordnung gehalten und die Maastricht-Kriterien im Wesentlichen eingehalten hatten. Es hat sich aber gezeigt, dass ein übermässig stark gewachsener Immobiliensektor mit entsprechend grossen Hypothekarvolumen selbst einen gesunden Staat in Bedrängnis zu bringen vermag.

Folgende Anlagethemen stehen für 2011 im Rahmen des Hauptszenarios im Vordergrund:

1) Attraktive Renditen der Aktienmärkte
In unserem Hauptszenario für 2011 gehen wir zwar unverändert von einer Wirtschaftsberuhigung aus, insbesondere in der Eurozone (ausser Deutschland), in der Schweiz und in Japan. In den USA wurde aber im Dezember unter dem verharmlosenden Titel «Budgetkompromiss» de facto ein neuerliches Konjunkturstimulierungsprogramm im Umfang von nochmals rund USD 800 Mrd. für die Jahre 2011 und 2012 verabschiedet. Es beinhaltet eine Ausdehnung der Steuervergünstigungen höherer Einkommen und höhere Sozialausgaben. Dies macht zusammen mit der expansiven Geldpolitik eine Rezession deutlich weniger wahrscheinlich. Wir erwarten neu mit 2.7% ein etwa gleich starkes US-Wirtschaftswachstum wie 2010. Entsprechend dürfte das Unternehmensgewinnwachstum rund 14% betragen. Da die Aktienmärkte aber vorausschauend sind, ist für die Performance des Jahres 2011 wichtig, ob im Jahre 2012 mit einem neuerlichen Rückfall der Konjunktur und der Gewinne zu rechnen ist oder nicht. Aufgrund der verschiedenen Stimulierungsmassnahmen gehen wir davon aus, dass das Gewinnwachstum auch 2012 zweistellig verlaufen wird und somit attraktive Aktienrenditen erwarten lässt. Dies insbesondere in den USA, den Schwellenländern und erneut in den exportstarken europäischen Ländern, allen voran Deutschland. Unverändert attraktiv bleibt das Thema der «Future Resources», also der zukunftsträchtigen Ressourcen.

2) Staatsanleihen der «Schwellenländer» als Portfolioergänzung
Die neuerlichen Staatsausgaben durch den «Budgetkompromiss» werfen die geplante Konsolidierung der US- Staatsfinanzen über den Haufen. Hatte das Budget Office des Kongresses bis vor kurzem geplant, dass das US-Haushaltsdefizit 2014 die Marke von 3% des BIP erreicht, so wird jetzt davon ausgegangen, dass dieser Wert in diesem Jahrzehnt nicht mehr erreichbar ist. Entsprechend wird die Verschuldung stärker als bisher erwartet ansteigen. Für die Obligationenzinsen bedeutet dies, dass obwohl die Inflation auf absehbare Zeit trotz expansiver Geldpolitik kein bedeutendes Thema für die entwickelten Länder sein wird, ein vorerst moderater Zinsanstieg aber nicht zu vermeiden sein wird. Für den Anleger bedeutet dies tiefe und kaum mehr positive Renditen von Staatsanleihen. In diesem Umfeld bietet sich nebst einer strategischen Reduktion des Obligationenanteils eine Diversifikation beispielsweise mittels Schwellenländeranleihen an. Diese Länder stehen punkto Staatsverschuldung deutlich gesünder da als die meisten entwickelten Länder und lassen auch währungsseitig eine generelle Aufwertung erwarten.

3) Rohwaren und Edelmetalle
Edelmetalle – insbesondere Gold – profitieren von den tiefen Zinsen, da die Haltekosten entsprechend gering sind. Geht man zudem von einem weiterhin unruhigen Währungsumfeld mit einem tendenziell schwachen US-Dollar aus, so spricht dies ebenfalls für Gold. Andere Rohwaren wie Industriemetalle hängen mehr von der globalen Konjunktur und hier insbesondere von den Schwellenländern ab. Die Wirtschaftsdynamik dürfte sich 2011 zwar vorübergehend etwas beruhigen, bevor sie 2012 wieder stärker Fahrt aufnimmt. Insgesamt bleiben Rohwaren aber auch in den kommenden Jahren ein sinnvoller Portfoliobestandteil.

Diesem konstruktiven Jahresausblick im Rahmen unserer Hauptszenarios gilt es nun die wichtigsten vier Risiken für die Wirtschaft und die Finanzmärkte entgegenzustellen:

– Neuerliche Eskalation der Euroschuldenkrise. In diesem Fall steigen die Zinsen der peripheren Länder kontinuierlich an, der Euro wertet zum Franken erneut deutlich ab und riskantere Anlageklassen wie Aktien geraten unter Abgabedruck.

– Ein erneuter Rückgang der amerikanischen Immobilienpreise, was einen Rückfall in die Rezession und eine Erhöhung des deflationären Drucks bedeuten würde.

– Die konjunkturellen Bremsmassnahmen in Asien und insbesondere in China führen zu einem stärkeren Rückgang der wirtschaftlichen Aktivitäten und zu fallenden Immobilienpreisen.

– Die Investoren richten ihr Augenmerk auf die sich verschärfende Verschuldungssituation in den USA, was zu einem starken Zinsanstieg der amerikanischen Staatsanleihen führen würde.

Die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Anlagejahr sind gegeben. Die Herausforderungen liegen mehr bei den Staaten als bei den Unternehmen. Haben letztere seit dem Platzen der Internetblase ihre Bilanzen kontinuierlich saniert und die Verschuldung abgebaut, steht dies den Regierungen der entwickelten Länder erst noch bevor.

Quelle: Vontobel

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