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Antizyklischer Kapitalpuffer: Antrag der Schweizerischen Nationalbank und Entscheid des Bundesrates

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Gestützt auf Art. 44 der Verordnung über die Eigenmittel und Risikoverteilung für Banken und Effektenhändler (Eigenmittelverordnung, ERV) und nach Anhörung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) hat die Schweizerische Nationalbank dem Bundesrat beantragt, den antizyklischen Kapitalpuffer zu aktivieren. Der beantragte Kapitalpuffer richtet sich auf die Hypothekarkredite zur Finanzierung von Wohnliegenschaften in der Schweiz aus und ist auf 1% der entsprechenden risikogewichteten Positionen festgelegt.1 Der antizyklische Kapitalpuffer ist ab dem 30. September 2013 zu halten.

Die Nationalbank hat ihren Antrag damit begründet, dass das starke, seit mehreren Jahren beobachtete Wachstum der Kredite und Immobilienpreise zu Ungleichgewichten am Hypothekar- und Immobilienmarkt für Wohnliegenschaften geführt hat. Diese Ungleichgewichte haben sich im zweiten Halbjahr 2012 weiter verschärft und ein Ausmass erreicht, das für die Stabilität des Bankensystems und somit für die Schweizer Volkswirtschaft ein Risiko darstellt.

Der Bundesrat hat heute entschieden, den antizyklischen Kapitalpuffer gemäss Antrag der Nationalbank zu aktivieren. Entsprechend einer von der Nationalbank mit dem Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) getroffenen Vereinbarung veröffentlicht die Nationalbank ihren Antrag und die Hauptgründe für ihre Beurteilung nach vorgängiger Absprache mit dem Bundesrat. Die Hauptgründe sind im Anhang erläutert.

Die Nationalbank wird die Entwicklung am Hypothekar- und Immobilienmarkt weiterhin aufmerksam beobachten und regelmässig prüfen, ob der antizyklische Kapitalpuffer angepasst oder deaktiviert werden muss.

Anhang: Auszüge aus dem Antrag der Nationalbank

Formeller Antrag auf Aktivierung des sektoriellen antizyklischen Kapitalpuffers
Gemäss Art. 44 der Verordnung über die Eigenmittel und Risikoverteilung für Banken und Effektenhändler (Eigenmittelverordnung, ERV) kann die Schweizerische Nationalbank dem Bundesrat beantragen, die Banken zu verpflichten, in Form von hartem Kernkapital einen antizyklischen Puffer von maximal 2,5% der gewichteten Positionen in der Schweiz zu halten. Die Nationalbank stellt einen Antrag, wenn dies erforderlich ist, um die Widerstandsfähigkeit des Bankensektors gegenüber den Risiken eines übermässigen Kreditwachstums zu stärken oder um einem übermässigen Kreditwachstum entgegenzuwirken. Der antizyklische Puffer kann auf bestimmte Kreditpositionen beschränkt werden.

Gestützt auf Art. 44 ERV und nach Anhörung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) beantragt die Nationalbank dem Bundesrat:
Banken zu verpflichten, einen antizyklischen Puffer in der Höhe von 1% ihrer nach Art. 72 ERV direkt oder indirekt grundpfandgesicherten risikogewichteten Positionen, bei denen eine Wohnliegenschaft im Inland als Grundpfand fungiert, zu halten. Der antizyklische Puffer ist ab dem 30. September 2013 zu halten.

Begründung
Der Schweizer Hypothekar- und Immobilienmarkt für Wohnliegenschaften ist nun bereits seit mehreren Jahren durch ein starkes Wachstum gekennzeichnet. Trotz weiterhin tiefem Wirtschaftswachstum und der Einführung der neuen Selbstregulierung für Hypothekarfinanzierungen im Juli 2012 sind die Hypothekarkreditvolumen und die Immobilienpreise für Wohnliegenschaften auch in der zweiten Jahreshälfte 2012 deutlich gestiegen. Die anhaltend hohe Dynamik hat zu Ungleichgewichten geführt, die mittelfristig für die Stabilität des Schweizer Bankensektors und somit für die Schweizer Volkswirtschaft ein erhebliches Risiko darstellen.

Zurzeit ist der geldpolitische Spielraum für eine Zinserhöhung, welche auch auf den Hypothekar- und Immobilienmarkt eine dämpfende Wirkung entfalten würde, begrenzt. Vor dem Hintergrund der andauernden Phase ausserordentlich tiefer Zinsen ist es unwahrscheinlich, dass die hohe Dynamik im Hypothekar- und Immobilienmarkt bald nachlassen wird. Dies gilt selbst dann, wenn die bereits getroffenen Massnahmen zur Eindämmung der Risiken im Schweizer Hypothekar- und Immobilienmarkt (Revision der Selbstregulierung für Hypothekarfinanzierungen sowie eine Verschärfung der Eigenmittelanforderungen für Hypothekarkredite) erst im Verlauf von 2013 ihre Wirkung voll entfalten würden. Aus diesen Gründen ist die Nationalbank überzeugt, dass eine baldmöglichste Aktivierung des antizyklischen Kapitalpuffers notwendig ist.

Eine Aktivierung des sektoriellen antizyklischen Kapitalpuffers gemäss Antrag der Nationalbank ist eine Massnahme, die temporär zu einer Erhöhung der Eigenmittelanforderung für Hypothekarkredite auf Wohnliegenschaften in der Schweiz führt. Diese Anforderung gilt sowohl für selbstbewohnte Wohnliegenschaften als auch für Wohnrenditeliegenschaften. Somit erhöht der Kapitalpuffer die Widerstandskraft des Bankensektors und infolgedessen die Widerstandskraft der Schweizer Wirtschaft gegenüber einer Korrektur der Ungleichgewichte im Hypothekar- und Immobilienmarkt. Ferner wirkt der antizyklische Kapitalpuffer einem weiteren Aufbau solcher Ungleichgewichte entgegen, indem er für Banken die Vergabe von Hypothekarkrediten auf Wohnliegenschaften relativ zur Vergabe von anderen Krediten weniger attraktiv macht.

Um diese präventive Wirkung erzielen zu können, ist es jedoch unabdingbar, den Kapitalpuffer frühzeitig zu aktivieren. Eine verspätete Aktivierung des antizyklischen Kapitalpuffers auf einem voraussichtlich höheren Niveau würde zumindest einen Teil der präventiven Wirkung zunichtemachen bzw. könnte im Extremfall sogar kontraproduktiv sein.

Die Nationalbank beantragt, den antizyklischen Kapitalpuffer auf die Hypothekarkredite zur Finanzierung von Wohnliegenschaften auszurichten und dessen Höhe auf 1% der entsprechenden risikogewichteten Positionen festzulegen.2 Der Antrag der Nationalbank berücksichtigt somit, dass sich die Ungleichgewichte zurzeit auf diesen Teil des Schweizer Kreditmarktes konzentrieren. Betreffend Höhe des antizyklischen Kapitalpuffers liegt der Antrag der Nationalbank deutlich unter der in der Verordnung vorgesehenen Obergrenze von 2,5% der gesamten inländischen risikogewichteten Positionen. Dies widerspiegelt den Umstand, dass das Ausmass der vorhandenen Ungleichgewichte noch kleiner ist als unmittelbar vor dem Ausbruch der Immobilien- und Bankenkrise Ende der 1980er-Jahre. Um die Gefahr zu reduzieren, dass die Schweizer Wirtschaft mittelfristig eine ähnlich schwerwiegende Krise durchlebt, ist es jedoch wichtig zu handeln, bevor das Ausmass der Ungleichgewichte so weit vorangeschritten ist, dass Massnahmen nicht mehr präventiv wirken können.

Die Übergangsfrist zur Erfüllung des antizyklischen Kapitalpuffers, welche bis Ende September 2013 läuft, ist relativ kurz. Sie widerspiegelt somit die Dringlichkeit des Handlungsbedarfs, der sich aufgrund der geschilderten Risiken ergibt. Gleichzeitig sollte diese Frist den Banken angesichts der beantragten Höhe genügend Zeit lassen, um die benötigten Anpassungen vorzunehmen.

Der antizyklische Kapitalpuffer wurde vom Bundesrat per Juli 2012 mittels Verordnung eingeführt. Er bezweckt, die Widerstandsfähigkeit der Banken gegenüber den Risiken eines übermässigen Kreditwachstums zu stärken und einem übermässigen Kreditwachstum entgegenzuwirken. Ein solch übermässiges Kreditwachstum, gekoppelt mit einem starken Preiswachstum bei Wohnliegenschaften, ist zurzeit im Schweizer Hypothekar- und Immobilienmarkt feststellbar. Dies gilt sowohl für das Segment der selbstbewohnten Wohnliegenschaften als auch für das Segment der Wohnrenditeliegenschaften. Diese Konstellation birgt ein erhebliches Risiko für die Stabilität des Schweizer Bankensektors und somit letztendlich für die Schweizer Volkswirtschaft. Die unmittelbare Aktivierung des antizyklischen Kapitalpuffers im Sinne der Eigenmittelverordnung ist somit aus Sicht der Nationalbank erforderlich. Falls sich die Lage entschärfen sollte, kann der antizyklische Kapitalpuffer rasch wieder reduziert oder deaktiviert werden.

Quelle: Schweizerische Nationalbank

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