Schranken für das Notrecht des Bundesrates

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Die Bundesverfassung ermächtigt den Bundesrat, in ausserordentlichen Lagen Verordnungen und Verfügungen ohne Grundlage in einem Bundesgesetz zu erlassen und Ausgaben ohne vorgängige Bewilligung durch die Bundesversammlung zu tätigen. Die Wahrnehmung dieser Zuständigkeiten durch den Bundesrat hat in den letzten Jahren in einigen Fällen (z.B. Swissair-Grounding 2001, Finanzkrise 2008, Aktenvernichtung im Fall Tinner 2008-2009) zu Kritik Anlass gegeben. Ob berechtigt oder nicht, diese Kritik stellt die demokratische Legitimation staatlichen Handelns und damit die Glaubwürdigkeit der demokratischen Institutionen in Frage.

Die Staatspolitische Kommission (SPK) des Nationalrates will mit ihrer Vorlage den Handlungsspielraum des Bundesrates in ausserordentlichen Lagen wahren. Der Bundesrat behält die ihm bisher zustehenden Zuständigkeiten. Die SPK schlägt aber folgende neue Vorschriften vor, welche die Wiederherstellung der normalen demokratischen Kompetenzordnung bzw. eine bessere Wahrnehmung der Oberaufsicht der Bundesversammlung gewährleisten sollen:

1. Eine Verordnung, die sich auf Artikel 185 Absatz 3 BV abstützt (sog. „Polizeinotverordnung“), soll neu ausser Kraft treten, wenn der Bundesrat der Bundesversammlung nicht innert sechs Monaten den Entwurf der nötigen gesetzlichen Grundlage für die Verordnung unterbreitet hat. Eine weniger restriktive Regelung soll für Verordnungen gelten, die sich ausschliesslich auf Artikel 184 Absatz 3 BV abstützen, also der Vertretung der Interessen der Schweiz nach aussen dienen. Erst wenn der Bundesrat sie nach einer maximalen Geltungsfrist von vier Jahren verlängert, sollen sie im analogen Verfahren wie die auf Artikel 185 Absatz 3 gestützten Verordnungen in ordentliches Recht überführt werden müssen.

2. Der Bundesrat wird verpflichtet, vor dem Erlass einer auf Artikel 184 Absatz 3 oder Artikel 185 Absatz 3 BV gestützten Verfügung die neu zu schaffende „Delegation für ausserordentliche Lagen“ innert 48 Stunden zu konsultieren, in besonders dringlichen Fällen innert 24 Stunden nach seinem Beschluss zu informieren. Die Konsultation schränkt die Zuständigkeit des Bundesrates nicht ein und die beigezogene parlamentarische Delegation wird dadurch auch in keiner Weise für den Entscheid mitverantwortlich. Die Konsultation gibt aber Gelegenheit zur Ausübung mitschreitender Oberaufsicht und schafft die Voraussetzung dafür, dass die zuständigen parlamentarischen Organe gegebenenfalls im Rahmen ihrer Zuständigkeiten aktiv werden können.

3. Falls der Bundesrat eine Ausgabe von über 500 Millionen Franken bloss mit Zustimmung der Finanzdelegation beschliesst, so kann ein Viertel der Mitglieder eines Rates die Einberufung einer ausserordentlichen Session der Bundesversammlung für die nachträgliche Genehmigung verlangen. Die Ratsbüros müssen diese Session in der dritten Kalenderwoche nach dem Zustandekommen des Begehrens ansetzen.

Diese Vorschriften, welche eine rasche Wiederherstellung der normalen demokratischen Kompetenzordnung gewährleisten sollen, dürften vor allem auch einen präventiven Effekt haben. Geeignete präzise Befristungen, Konsultations- und Informationspflichten veranlassen Bundesrat und Verwaltung zu einer gründlichen Prüfung der tatsächlichen Notwendigkeit dringlicher Massnahmen.

Eine Kommissionsminderheit möchte, dass dringliche Ausgaben von über 500 Millionen Franken in jedem Fall vorgängig durch die Bundesversammlung beschlossen werden und nicht wie bisher erst nachträglich genehmigt werden können. Die faktische Kompetenzdelegation an die bloss sechsköpfige Finanzdelegation führe dazu, dass Beschlüsse von derart grosser Tragweite keine hinreichende demokratische Legitimation erhielten. Nötigenfalls könne die Bundesversammlung sehr rasch zu einer ausserordentlichen Session einberufen werden. Dieser Antrag wurde mit 16 zu 10 Stimmen abgelehnt.

Die Kommission hat die Vorlage in der Gesamtabstimmung mit 17 zu 0 Stimmen und 9 Enthaltungen zuhanden des Rates angenommen. Der Bundesrat, die Finanzkommission und die Geschäftsprüfungskommission erhalten noch Gelegenheit zur Stellungnahme, so dass die Vorlage voraussichtlich in der Sommersession 2010 behandlungsreif sein wird.

Die Kommission tagte am 4./5. Februar 2010 unter der Leitung ihres Präsidenten Yvan Perrin (V, NE).

Bern, 8. Februar 2010 Parlamentsdienste

Der Gesetzesentwurf und der Bericht können unter folgender Internetadresse abgerufen werden: http://www.parlament.ch/d/dokumentation/berichte/berichte-legislativkommissionen/staatspolitische-kommission-spk/Seiten/default.aspx

Quelle: News Service des Schweizer Parlaments

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