Global View der Bank Sarasin: Der Zenit ist erreicht

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Die Weltwirtschaft hat sich im zweiten Halbjahr 2009 und im ersten Quartal 2010 deutlich von der Krise erholt. Während die entwickelten Länder Produktion und Investitionen wieder erfolgreich ankurbelten, muss China das Risiko einer Überhitzung abdämpfen. Gemäss dem aktuellen Research-Ausblick „Global View“ der Bank Sarasin für das zweite Quartal 2010 weisen die Stimmungsindikatoren wie die Einkaufsmanagerindizes darauf hin, dass der Zenit des Konjunkturzyklus bereits erreicht ist. Die Bank geht davon aus, dass sich das Wachstum erst 2011 wieder fortsetzen wird. Sorge bereitet derzeit vor allem das potenziell deflationäre Umfeld in den Randregionen Europas, welches ein nachhaltiges globales Wirtschaftswachstum in nächster Zeit bremsen könnte. Bei der Asset Allocation empfiehlt sich eine deutliche Reduktion der Anlagerisiken. Dementsprechend gewichtet die Bank Sarasin Aktien geringer und setzt den Fokus auf defensive Sektoren. Unternehmensobligationen dürften im zweiten Quartal geringere Ausfälle verzeichnen.

Die Erholung der globalen Wirtschaft setzte sich im ersten Quartal dieses Jahres fort. Nach den USA und den Schwellenländern Asiens, welche schon im vierten Quartal 2009 die Wirtschaftsleistung des Vorjahres übertroffen hatten, werden nun auch Europa und Japan nachziehen. Ein deutliches Zeichen dafür ist der durch die steigende Investitionstätigkeit begünstigte Rückgang der Arbeitslosenquoten und der Anzahl Kurzarbeiter. Anführer des Erholungszyklus ist China, an welchem die Wirtschaftskrise fast spurlos vorbeigegangen ist. Durch grosszügige Staatsinterventionen schaffte es die chinesische Regierung, die Binnennachfrage anzukurbeln und somit Konsum und Investitionen zu beflügeln. Ein Problem könnten die aufgrund der lockeren Kreditvergabe ständig steigenden Immobilienpreise darstellen, welche sich bisher auch durch staatliche Regulierungen nicht dämpfen liessen. Es ist jedoch zu erwarten, dass die Behörden durch den noch immer sehr direkten Zugriff auf die Wirtschaft es schaffen werden, das Wachstum nicht zu stark ansteigen zu lassen.

Dr. Jan Amrit Poser, Leiter Research und Chefökonom der Bank Sarasin

„Die tiefste Wirtschaftskrise seit 80 Jahren ist einer fulminanten Erholung gewichen. Nachdem sich die Produktion bereits im 3. Quartal 2009 kräftig erholt hat, konnten im 4. Quartal auch die Investitionstätigkeiten zulegen. Ob diese Erholung jedoch nachhaltig wird, hängt letztendlich vom Konsum ab. Hier bestehen Zweifel, ob die Endnachfrage, die durch negative Vermögenseffekte und restriktive Kreditvergabe gebremst wird, wirklich in Fahrt kommt. Eine zweite Bremse stellt der Zwang zur Konsolidierung der Staatsfinanzen dar. Wir gehen davon aus, dass erst wenn ein Grossteil der Bereinigung der Ungleichgewichte erfolgt ist – was zu Beginn 2011 zu erwarten ist – der Aufschwung nachhaltig werden wird.“

Philipp E. Bärtschi, Chefstratege der Bank Sarasin

„Nach dem wie erwartet guten ersten Quartal ist der Zenit des Zyklus erreicht und die positiven Überraschungen werden bald abnehmen. Damit steigt die Gefahr eines signifikanten Rückschlags der Aktienmärkte deutlich an. Es ist an der Zeit, die Gewinne mitzunehmen und die Risikopositionen zu reduzieren. Wir wechseln daher von einer Über- zu einer Untergewichtung von Aktien. Die Wachstumsverlangsamung im zweiten Quartal gibt dafür den Anleihen Auftrieb. Grundsätzlich bevorzugen wir hochqualitative Unternehmensobligationen gegenüber Regierungsanleihen.“

Stimmungsindikatoren weisen auf Verlangsamung hin

Der Lagerzyklus leistete einen nennenswerten Beitrag zum Wachstum im letzten Quartal des vergangenen Jahres, aber die Einkaufsmanagerindizes deuten darauf hin, dass nun der Zenit im zyklischen Lageraufschwung grösstenteils erreicht oder bereits überschritten ist. Dies gilt insbesondere für die USA, China und Japan, während Europa mit der üblichen Verzögerung spätestens im zweiten Quartal 2010 die Wachstumsspitze erreichen wird. Aufgrund von Analysen der Konjunkturzyklen der letzten 50 Jahre muss damit gerechnet werden, dass das gegenwärtige starke Wachstum im Verlauf des zweiten Quartals abnehmen und sich frühestens Anfang 2011 wieder beschleunigen wird. Ob die Erholung nachhaltig sein wird, hängt letztendlich vom Konsum ab, welcher wiederum vom Arbeitsmarkt und der Einkommensentwicklung beeinflusst wird. Verschiedene Gründe sprechen aber dagegen, dass die Endnachfrage genügend in Fahrt kommt, um ein Auslaufen des zyklischen Aufschwungs zu verhindern: die Arbeitskräfte aus aufgeblähten Sektoren (US-Bau, Einzelhandel) finden nach der durch die Finanzkrise notwendig gewordenen strukturellen Anpassung keine Beschäftigung, die Fiskalimpulse haben einen Teil der Endnachfrage 2010 ins 2009 vorverlegt und neueste Indikatoren weisen darauf hin, dass sich der US-Immobiliensektor noch nicht vollends stabilisiert hat. Ein Rückfall der Hauspreise würde das Nettovermögen der Privathaushalte unter Druck setzen und somit die Erholungstendenzen im Konsum abwürgen. Ein zusätzliches Problem stellt die Entwicklung von Konsum- und Unternehmenskrediten dar, welche sich ebenfalls weiterhin im Abschwung befinden.

Schwache Staatsfinanzen gefährden das globale Gleichgewicht

Diese Mischung aus schwächerer Kreditvergabe, geringeren Nettovermögen und trotz der leichten Entspannung immer noch hohen Arbeitslosigkeit hat eine deflationäre Wirkung. Insbesondere bei einem Abflauen des Wachstums bis zum Jahresende werden daher die Regierungen gefordert sein, mit weiteren Finanzstimuli negative Multiplikatoreffekte zu verhindern. Doch die Staaten in der Peripherie Europas wie Griechenland, Irland, Portugal oder Spanien müssen eine sehr rasche Konsolidierung ihrer Finanzen einleiten und können fiskalische Belastungen nicht tragen. Finanzkräftigere Staaten müssten einspringen, um das globale Wachstum zu stützen. Neben der Bereinigung der Staatshaushalte müssen aber durch die Stärkung des Exportsektors auch strukturelle Budget- und Leistungsbilanzdefizite behoben werden. Dies gelingt nur durch schmerzhafte Massnahmen wie Einschnitte in die Preis- und Lohngefüge, Produktivitätssteigerungen oder Währungsabwertungen. Die Erfahrung zeigt aber, dass die meisten Staaten in der Lage sind, ihre Staatsfinanzen an die Herausforderungen anzupassen. Gelingt somit der Prozess der Bereinigung der globalen Gleichgewichte, sollte der Zyklus ab 2011 wieder selbsttragend werden.

Gegenwind für Aktien – defensive Sektoren gefragt

Mit dem Ende des gegenwärtigen Zyklus und der erwarteten Wachstumsschwäche dürften die Risikoprämien für Aktienanlagen ansteigen. Am meisten Sorgen bereiten die Finanzmärkte des Euroraumes aufgrund reduzierter Wachstums- und Gewinnschätzungen. Innerhalb Europas favorisiert die Bank Sarasin daher die defensiven Märkte Schweiz und UK. Der britische Aktienmarkt dürfte von der Pfundschwäche profitieren und relativ gut abschneiden. Ausserhalb Europas ist vor allem in den Schwellenländern Asiens sowie in Japan Vorsicht geboten. Diese Märkte werden wohl am meisten unter der bevorstehenden Wachstumsabschwächung leiden. Auch in der Sektorallokation bevorzugt Sarasin defensive Titel. In den defensiven Sektoren sind viele Aktien mit stabilen Wachstumsaussichten und hohen Dividendenrenditen zu finden, welche sich selbst bei einer milden Wachstumsabschwächung positiv entwickeln können. Dazu gehören insbesondere die Bereiche Gesundheit, Technologie, Telekom und Verbrauchsgüter.


Obligationen: Keine Leitzinserhöhungen zu erwarten

Aufgrund des verhaltenen Ausblicks der Weltwirtschaft erwartet die Bank Sarasin, dass die Zentralbanken auf eine Erhöhung der Leitzinsen bis ins Jahr 2011 verzichten. Dies und die Wachstumsverlangsamung dürften zu einem Rückgang der Anleihenrenditen bis ins erste Quartal 2011 führen. Für das zweite Quartal 2010 liegt der Fokus auf hochqualitativen Unternehmensanleihen, welche noch von einem Rückgang der Kreditrisikoprämien profitieren sollten. Bei den Alternativen Anlagen haben im zweiten Quartal 2010 Rohstoffe das grössere Potenzial als Immobilien, da letztere bei einem Rückschlag der Aktienmärkte unter Druck geraten könnten. Dank der ungebrochenen Nachfrage nach Rohstoffen in den Schwellenländern und damit weiterhin hohen Preisen dürften Industriemetalle gegenüber Edelmetallen und Energierohstoffen zu bevorzugen sein.

Quelle: Bank Sarasin

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