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Atommüll – Wir wissen zu wenig!

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Als Gesellschaft stehen wir vor einer Aufgabe, für deren Lösung wir die Verantwortung gar nicht übernehmen können und trotzdem irgendwie müssen. Während die AKW-Betreiber – und die Nagra – sich im Stande glauben, heute ein sicheres Endlager bauen zu können, hegen die unabhängigen Referenten aus dem In- und Ausland berechtigte Zweifel. Es fallen Wörter wie Scheinlösungen, Pseudomitwirkung, veraltete Lösungsansätze und zweifelhafte wissenschaftliche Hypothesen. Sie plädieren für reversible Zwischenlösungen, alternative Endlagerkonzepte, für eigentliche Testlager und für echte Mitbestimmung der Gesellschaft.

Der Kongress sprach offene technische Fragen zur Lagerung, zu den langen Zeiträumen sowie Fragen zur Auswahl eines Lagerstandortes an. Es referierten Schweizer Fachleute und internationale Experten. So wurde der Bevölkerung die Möglichkeit geboten, neben der hiesigen Nagra (Entsorgungsgesellschaft der AKW-Betreiber) den Expertenkreis zu erweitern und zu vielseitigen und zusätzlichen Informationen zu gelangen.

Eckhard Kruse: Zwischenlösungen statt Scheinlösungen für die Ewigkeit
Für Eckhard Kruse, Endlagerbeauftragter der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers, war die zentrale Frage, ob der Mensch die Verantwortung für die sichere Entsorgung von radioaktivem Abfall für 1 Million Jahre überhaupt übernehmen kann. Sie blieb – für ihn und das Publikum – unbeantwortet. Es handle sich um ein Problem in einem menschlich nicht messbaren Kontext, um ein Ewigkeitsproblem. Er warnte davor, Atommüll als Altlast zu betrachten, er sei eine Zukunftslast. Er hege grosse Zweifel, dass heute sichere Lösungen für die Endlagerung gefunden werden könnten. Deshalb müsse man sich auf langfristig möglichst sichere Zwischenlösungen konzentrieren: «In Anbetracht, dass wir die Zukunft nicht kennen, brauchen wir Lagerlösungen auf Zeit, statt Scheinlösungen für alle Ewigkeit.» Man müsse schrittweise vorgehen, immer wieder innehalten, neue Erkenntnisse und die Meinung künftiger Generationen miteinbeziehen. Für die kommenden Generationen müssten wir eine nachvollziehbare Entschuldigung bereit haben, betonte er, warum wir ihnen wider besseres Wissen diese Zukunftslast überliessen.

Walter Wildi: Ausgereifte Lösung statt gewagtem Pionierprojekt
Walter Wildi, ehemaliger Präsident der Kommission für die Sicherheit von Atomanlagen (KSA), beschäftigt sich seit über 40 Jahren mit der Endlagerfrage. Für ihn fehlt noch immer eine stringente Gesamtplanung. Und er sieht den Fehler auch bei sich selbst: «Wir waren naiv, wir dachten, dass die Nagra das Problem der Umsetzung viel ernster nehmen würde.» Viele entscheidende Fragen, die gelöst sein müssten, bevor überhaupt mit der Planung begonnen würde, seien nicht beantwortet. Ohne Laufzeitbegrenzung der alten AKW könne man das Lagerproblem ohnehin nicht lösen. Die Nagra müsse sich aus der Abhängigkeit der Abfallproduzenten lösen, sonst drohe der Stillstand. «Wir gehen von veralteten Lösungsansätzen aus.»

Mathias Edler: Sicherheit ist nicht verhandelbar
Mathias Edler, Atomexperte bei Greenpeace Deutschland, kann dem nur zustimmen: «Wenn wir beim hochradioaktiven Abfall einen Fehler machen, dann ist er sicher nicht reversibel.» Die Entscheidung über einen Endlagerstandort müsse über Legislaturperioden hinweg Bestand haben, aber über Generationen hinweg korrigierbar sein. Dabei gilt: «Sicherheit ist der alleinige Massstab für ein Endlager, und Sicherheit ist nicht verhandelbar. Sicherheit kann man nicht mit einem Kompromiss erreichen.» Seine Untersuchungen zur Standortfindung Gorleben zeigen deutlich, dass es in Deutschland bisher nur um Politik und nicht um seriöse Wissenschaft ging.

Johan Swahn: Den Prozess stoppen und alternative Lösungen suchen
Auch in Schweden entscheidet nicht der Sicherheitsfaktor über die Standortfrage. Johan Swahn, Direktor der Schwedischen NGO «Office for Nuclear Waste Review», beleuchtete das Vorgehen: Das von den AKW-Betreibern finanzierte Entsorgungsunternehmen SKB arbeitet seit 40 Jahren an einer Methode der künstlichen Einschliessung von Atommüll (KBS). Wegen massiver Opposition sind nun die Endlager in den Gemeinden geplant, wo es heute bereits AKW gibt. Hier ist die Akzeptanz für ein Endlager am grössten, auch wegen der finanziellen Anreize und der versprochenen Arbeitsplätze. Die Methode ist aber heute sehr umstritten. Zum Beispiel werde die Barrierefähigkeit von Kupferbehältern aktuell sehr in Frage gestellt, so Swah: «Wir müssten eigentlich den ganzen Prozess stoppen und alternative Lösungen suchen.» Schweden hätte zwar ein fortschrittliches Konzept zur Finanzierung der Endlager, aber technisch denke man noch immer wie in den 70er Jahren.

Markus Fritschi: Stand des Wissens ist Stand des Irrtums
Einzig für Markus Fritschi, Geschäftsleitungsmitglied der Nagra, ist die Endlagerfrage geklärt. Die Nagra ist der festen Überzeugung, die Erdgeschichte für die nächste Million Jahre voraussagen zu können. «Die Machbarkeit der sicheren Entsorgung in der Schweiz ist heute grundsätzlich geklärt.» Aber: Selbst er räumt ein, dass der heutige Wissensstand relativ ist. Der Stand des Wissens ist für ihn der «heutige Stand des Irrtums.»

Für die SES ist eines klar: Das heutige Konzept der Nagra ist nichts mehr als ein Versprechen. Niemand weiss, was in der nächsten Million Jahre oberhalb oder 500 Meter unter der Erdoberfläche geschieht. Es ist Zeit, die Lösungsfindung von den AKW-Betreibern und ihrer Entsorgungsagentur abzukoppeln. Die Diskussion muss breiter werden und es müssen alternative Entsorgungskonzepte diskutiert werden. Unsere Nachfahren brauchen reversible Lösungen auf Zeit statt Scheinlösungen für alle Ewigkeit!

P.S. In kurzen Video-Interviews erläutern einige Referenten ihre Sicht der Dinge:

Bilder in Printauflösung der Referenten finden Sie hier: http://www.energiestiftung.ch/energiethemen/atomenergie/atommuell/atommuell-kampagne/atommuellkongress-bilder/
Die Präsentationen der Referenten hier: http://www.energiestiftung.ch/energiethemen/atomenergie/atommuell/atommuell-kampagne/referate-atommuellkongress/

Quelle: Schweizerische Energie-Stiftung

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