Die Immunitätskommission des Nationalrates (IK-N) war am 18. November 2024 auf das Gesuch der Bundesanwaltschaft um Aufhebung der Immunität von Nationalrat Thomas Aeschi (24.193) und Nationalrat Michael Graber (24.194) wegen des Verdachts der Hinderung einer Amtshandlung (Art. 286 StGB) vom 19. September 2024 eingetreten. An ihrer heutigen Sitzung hat sie nun mit jeweils 4 zu 3 Stimmen bei 2 Enthaltungen beschlossen, die Immunität der beiden Nationalräte nicht aufzuheben.
Laut Einsatzjournal des Bundessicherheitsdienstes BSD hätten die Nationalräte Thomas Aeschi und Michael Graber – entgegen den Anweisungen der Sicherheitsassistenten des BSD – während des Besuchs des ukrainischen Parlamentspräsidenten versucht, die Haupttreppe des Parlamentsgebäudes zu benutzen. Als sie von den Beamten zurückgehalten wurden, kam es zu einem Gerangel mit körperlichem Einsatz und verbaler Auseinandersetzung.
Die Kommission hatte bereits an ihrer Sitzung vom 18. November 2024 die Nationalräte Aeschi und Graber angehört. Daraufhin hatte die Kommission mit 6 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung beschlossen, den Entscheid betreffend die Aufhebung der Immunität zu vertagen, bis ihr eine Stellungnahme der Verwaltungsdelegation (VD) der Bundesversammlung vorliegt.
An ihrer heutigen Sitzung hat die Kommission von dieser Stellungnahme Kenntnis genommen. Ohne eine Beurteilung des infrage stehenden Sachverhalts vorzunehmen, hat sich die VD gegenüber der IK-N dahingehend geäussert, dass sie das für den Anlass vom 12. Juni 2024 gewählte Sicherheitskonzept als verhältnismässig und die Kommunikation darüber als ausreichend erachtet. Sie betont, dass ungeachtet der jeweiligen Umstände und vorgängigen Informationen den konkreten Weisungen des Sicherheitspersonals Folge geleistet werden muss, da nur so die Erfüllung des Schutz- und Sicherheitsauftrags durch den BSD gewährleistet werden kann.
Die Kommission weist darauf hin, dass sich der Vorfall im Parlamentsgebäude und während der Session ereignete, als die Nationalräte Aeschi und Graber ihrer Arbeit als Parlamentarier nachgingen. Sie geht deshalb im vorliegenden Fall von einem unmittelbaren Zusammenhang mit der amtlichen Stellung und Tätigkeit aus und ist bei beiden betroffenen Nationalräten ohne Gegenantrag auf das Gesuch der Bundesanwaltschaft eingetreten. Anschliessend hat sie mit 4 zu 3 Stimmen bei 2 Enthaltungen beschlossen, die Immunität der beiden Nationalräte nicht aufzuheben.
Die Kommission stellt die Weisungsbefugnis des Sicherheitspersonals im Parlamentsgebäude in keiner Art und Weise infrage und bekräftigt, wie wichtig es für die Erfüllung des Schutz- und Sicherheitsauftrags durch den BSD ist, dass die Ratsmitglieder den konkreten Anweisungen des Sicherheitspersonals Folge leisten. Sie weist jedoch darauf hin, dass im konkreten Fall Zweifel bestehen, ob die konkreten Anweisungen für die betroffenen Personen im entscheidenden Moment unmissverständlich waren.
Gemäss ständiger Praxis der zuständigen Kommissionen sei die Immunität nicht aufzuheben, wenn sich die Strafbarkeit des Verhaltens – stets im Rahmen einer vorläufigen Beurteilung – als zweifelhaft oder als nicht gegeben erweise. Die Kommission erachtet vor diesem Hintergrund die Aufhebung der Immunität der Nationalräte Aeschi und Graber als nicht verhältnismässig und hat sich dementsprechend mit 4 zu 3 Stimmen bei 2 Enthaltungen gegen diesen Schritt ausgesprochen. Nun ist es an der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates (RK-S) über das Gesuch um Aufhebung der Immunität zu befinden. Der Entscheid, ob die Immunität aufgehoben wird oder nicht, wird erst mit übereinstimmenden Beschlüssen beider Kommissionen definitiv.
Die Kommission tagte am 12. Februar 2025 unter dem Vorsitz von Nationalrat Pierre-André Page (V/FR) in Bern.
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Quelle:
Das Schweizer Parlament – Die Bundesversammlung
parlament.ch