Wie Pflanzen Infektionen bemerken

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In der freien Natur ist das Leben der Pflanzen ständig in Gefahr: Ungünstige Umweltbedingungen wie anhaltende Trockenheit oder Schadstoffe in Atmosphäre, Boden und Wasser bedrohen sie. Ausserdem lauern ständig angriffslustige Pilze, Bakterien und Viren. Könnten diese Krankheitserreger so, wie sie wollen, wäre die Flora nicht mehr so satt grün und prächtig. Pflanzen sind demzufolge in der Lage, ihre kleinen Feinde in Schach zu halten. Wie schaffen sie das, wo sie doch nicht einfach weglaufen oder zum Arzneischränkchen greifen können?

Antworten auf diese Frage geben Forschungsgruppen der Universitäten Basel und Würzburg. Ihre Ergebnisse haben Prof. Dr. Thomas Boller aus Basel und die Würzburger Arbeitsgruppe um den Biophysiker Prof. Dr. Rainer Hedrich und den Molekularbiologen Dr. Dirk Becker in den renommierten Zeitschriften «The Plant Journal» und «Journal of Biological Chemistry» veröffentlicht. Die Forscher zeigen, wie Pflanzen mit ihrem angeborenen Immunsystem potentielle Krankheitserreger in die Schranken weisen. Erforscht haben sie dieses Phänomen mit Bakterien vom Typ Pseudomonas und mit der Modellpflanze Arabidopsis thaliana (Ackerschmalwand). Pseudomonas-Bakterien können bei Pflanzen Fäulnis und andere Schäden hervorrufen.

Rezeptor erkennt Bruchstücke von Bakterien
Auf das Bakterium Pseudomonas fiel die Wahl nicht von ungefähr, denn der Forschungsgruppe um Thomas Boller war zuvor ein entscheidender Durchbruch gelungen: Die Basler Forschenden identifizierten in der Hüllmembran von Pflanzenzellen einen Rezeptor (FLS2). Er erkennt noch in verschwindend kleinen Mengen Bruchstücke der bakteriellen Fortbewegungsorgane, der so genannten Flagellen. «Auf einer Tagung haben wir ausgemacht, unser Fachwissen in Biophysik (Würzburg) und Biochemie (Basel) zu bündeln», berichtet Rainer Hedrich. Ziel der Forscher: Die frühen Prozesse zu klären, mit denen Pflanzen Krankheitserreger erkennen.

Elektrische Erregung durch Bakterien-Bruchstücke
Aus Basel bekamen die Würzburger eine 22 Aminosäuren lange Peptidkette (Flg22) aus dem Flagellen-Baustein Flagellin und dazu Rezeptor-Mutanten von Arabidopsis. Mit diesem Material stellten sie fest, dass das Bakterien-Peptid die Pflanzenzellen elektrisch erregt: Etwa eine Minute, nachdem sie den Pflanzen das Bakterien-Bruchstück verabreicht hatten, stellten sie einen Anstieg der Kalzium-Konzentration zusammen mit einer zehn Minuten anhaltenden Depolarisation der Membran fest. «Der Flagellin-Rezeptor aktiviert – abhängig von Kalzium – einen Anionen-Kanal in der Membran», sagt Dirk Becker.

Pflanze schüttet antibakterielle Substanzen aus
Gleichzeitig konnte gezeigt werden, dass die Erregung der Membran an den Zellkern weitergeleitet wird und das Immunsystem stimuliert: Die Pflanze aktiviert Abwehrgene, baut antimikrobielle Substanzen und Enzyme zusammen und überschüttet damit die eingedrungenen Bakterien. Um die Verbreitung der Mikroben zu verhindern, begehen – quasi als letzte Instanz – rund um den Infektionsherd ganze Gruppen von Zellen den Opfertod. Zurück bleiben braune Flecken und mikroskopisch kleine «Narben» als Zeugen der gelungenen Schädlingsabwehr.

Hunderte von Frühwarnsystemen gegen Eindringlinge
Was aber, wenn die Pflanze das Flagellin übersieht, das bei vielen Bakterien vorkommt? «Kein Problem», sagt Thomas Boller, «die Pflanze identifiziert Eindringlinge gleichzeitig über verschiedene Rezeptoren – so nimmt sie einen typischen Fingerabdruck von den jeweiligen Erregern.» Das angeborene Immunsystem der Pflanzen besteht aus Hunderten solcher Frühwarnsysteme. Dazu gehören auch solche vom PEPR1/2 Typus, welche pflanzeneigene Peptide aus dem Zellinnern erkennen. Sobald Mikroben eine Pflanzenzelle verletzen, gelangen diese Peptide an die Oberflächenrezeptoren umgebender Zellen und signalisieren Gefahr.

Anionen-Kanal leitet Gefahrensignale weiter
Aus ihren Untersuchungen schliesst die deutsch-schweizerische Forschungsallianz: Die unterschiedlichen Gefahrensignale, die von diesen Rezeptoren erkannt werden, werden über den gleichen Anionen-Kanal in ein elektrisches Signal übersetzt. Hedrich: «Gegenwärtig sind wir dabei, das Gen für diesen zentralen Ionenkanal aufzuspüren. Wir haben zwei Genfamilien gefunden, die Anionen-Kanäle codieren. Jetzt gilt es, den Hauptverdächtigen dingfest zu machen.»

Quelle: Universität Basel

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